|
|
|
Das
römische Eigentumsrecht
und die Menschenrechte
Ein interessant gefundener Ansatz von Samtstein
Das Rotkäppchen-Märchen
ist vielleicht das am weitesten verbreitete von allen mitteleuropäischen
Märchen. Gewiß zutreffend hat man die kleine süße Dirn mit der roten
Kappe, die samt ihrer Großmutter von dem bösen Wolf verschlungen wird,
auf die liebe Sonne gedeutet, die jeden Abend im Bauche der Nacht und
jeden Winter im Polarreich ganz unter dem Horizont verschwindet und doch
jeden Morgen und jeden Lenz unversehrt und heil wieder zum Vorschein
kommt. Sieht man aber genauer zu, so scheinen es manche Einzelzüge
anzudeuten, daß daneben auch noch ein anderer Sinn seinen Platz
behauptet,
der uns Mitteleuropäer besonders angeht, daß nämlich das Eindringen des
römischen Rechts in Mitteleuropa den unbekannten Märchendichter
veranlasst hat, dem alten naturmythischen Stoff seine uns vertraute
Gestalt zu geben.
Deshalb soll dies Märchen in der heutigen Fehmzahl fünf und im Zeichen
der Rita = oder Rechitrune R seine Stelle finden. Kein Volk hat mit
solcher Folgerichtigkeit den Rechtsgedanken, aber auch den Staats- und den
Machtgedanken entwickelt, wie das römische und prüft man,
unvoreingenommen von der Vorstellung, als ob Griechen und Römer den
barbarischen Mitteleuropäern die wahre Kultur gebracht hätten, die Frage
genauer, ob die Übernahme römischer Staats- und Rechtsgedanken für die
Mitteleuropäer ein Segen gewesen sei, so wird man gelinde Zweifel nicht
unterdrücken können. Als die römische Kultur mit der
mitteleuropäischen in Fühlung trat, alterte sie bereits und befand sich
im Niedergang. Der latinische Bauer, durch die dauernden Kriege der
Scholle entfremdet, zeigte schon zur Zeit
der Gracchen abnehmende Bodenständigkeit. Was sich später römischer
Bürger nannte, waren zumeist Söhne Freigelassener aus aller Herren
Länder, ein buntes Menschengemisch. Der Stolz und die Würde römischen
Wesens war schon zu Beginn der Kaiserzeit längst dahin. Man braucht nur
die beweglichen Klagen des römischen Dichters Horatius Flaccus über die
"auri sacra fames" "die verfluchte Geldgier" und über
manches andere zu lesen, um zu begreifen, daß Rom von ödestem
Materialismus beherrscht war. So sind wir berechtigt, bei dem Wolf, der
Rotkäppchen verschlingt, auch an die materialistische Erwerbsgier zu
denken, die gerade in unseren Tagen den philosophischen Deutschen
Idealismus zu vernichten droht, und aus dem Verlauf des Märchens die
Hoffnung zu schöpfen, daß er einst durch das Geistmenschentum, für das
das Märchen durchweg das Bild des Jägers wählt, aus diesem
unwürdigen Gefängnis befreit werden wird.
Es war einmal eine kleine süße Dirn, so erzählt man das Märchen, die
hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerbliebsten aber die
Großmutter. Die schenkte ihr ein Käppchen von rotem Samt. Zu dieser
kranken Großmutter schickte die Mutter das Kind mit Kuchen und Wein, daß
sie sich recht daran labe, mit der Weisung, hübsch artig zu sein, nicht
gleich in alle Ecken zu gucken, guten Morgen zu sagen und nicht vom Wege
abzulaufen.
Im Walde begegnete ihm der Wolf, ohne daß es ahnte, was das für ein
böses Tier war. Sie begrüßten einander ganz freundschaftlich, und
Rotkäppchen verriet ihm auch die Wohnung der Großmutter: "Unter den
drei Eichbäumen da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst
du ja wissen." um nun beide, Großmutter und Rotkäppchen, zu
erschnappen,
mußte er Zeit gewinnen, und so sprach er, eine Weile neben Rotkäppchen
hergehend, zu ihr: "Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen,
die ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du
hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? So ließ sich denn
Rotkäppchen verleiten, für die Großmutter einen schönen Blumenstrauß
zu pflücken. Inzwischen hat der Wolf die Großmutter verschluckt, sich in
ihr Bett gelegt, ihre Haube aufgesetzt und die Vorhänge vorgezogen.
Wie nun das Rotkäppchen verspätet eintraf, war ihm so wunderlich zumute,
aber es glaubte trotzdem ihm die Veränderung auffiel, daß die
Großmutter im Bett läge und fragte sie jene berühmten Fragen, die die
Kinderherzen so gruseln lassen:
"Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren?" "Daß ich
dich besser hören kann.
"Ei, Großmutter was
hast du für große Hände?" "Daß ich dich besser packen
kann!" "Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich
großes Maul?" "Daß ich dich besser fressen
kann." Dabei tat er einen Satz aus dem Bett auf das arme Rotkäppchen
und verschlang es. Wie der Wolf seine Gelüste gestillt hatte, legte er
sich wieder ins Bett, schlief ein und fing an überlaut zu schnarchen.
Dadurch wurde der Jäger, der eben vorbeiging, darauf aufmerksam gemacht,
es möchte der alten Frau etwas fehlen. So entdeckte er den Wolf, schnitt
ihm mit der Schere den Bauch auf und befreite die beiden. Rotkäppchen
holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib und
wie er erwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer,
daß er niedersank und sich tot fiel. Der Jäger nahm den Pelz vom Wolf;
die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein und erholte sich wieder.
Rotkäppchen aber dachte: "Du wirst den Lebtag nicht wieder allein
vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir's die Mutter verboten hat."
Diese echt kindliche Moral der Geschichte, wie überhaupt die ganze naive
Frische der Erzählung sind so recht dazu angetan, sich dem kindlichen
Gemüt einzuprägen. Und doch steckt in dem ganzen Vorgang eine so
schmerzliche Erfahrung der mitteleuropäischen Geschichte, daß es gerade
in unseren Tagen einer so unglaublichen Überlistung des Mitteleuropäers
durch wölfische Tücke höchste Zeit ist, daß dem Mitteleuropäer die
ach so vertrauensseligen Augen geöffnet werden. Die meisterhaft
gewählten Kennworte sollen uns dazu verhelfen.
Das ist zunächst die Großmutter, das weisheitsvolle Ur-Mutterrecht,
dessen Spuren wir in den eddischen Sagen auf Schritt und Tritt begegnen,
die der Enkeltochter, dem Mitteleuropäer,
eine Kappe aus rotem Samt geschenkt hat: das mitteleuropäische Recht (Ruot).
Wie das Recht beschaffen war, das gibt das Märchen in vier Kennworten an:
"Wein, Kuchen, Eiche, Nusshecken". Der Wein entspricht der
vierten Od-Rune und bezeichnet die Offenbarung des göttlichen Geistes.
Das alte Recht entsprang nicht menschlicher Willkür, sondern göttlicher
Satzung und altheiliger Überlieferung (Saga). Der Kuchen (kuk) hat in den
ältesten Opferdiensten Beziehungen zum Liebesleben. Er soll im Märchen
andeuten, daß das Urmutterrecht in dem strengen geheiligten Sippenverband
wurzelt. Die Großmutter, das uralte Recht, ist schon krank und schwach
geworden, erholt sich aber wieder durch den Genusß von Wein und Kuchen.
Wir müssen wieder, wenn wir genesen wollen, statt des papiernen
Paragraphenschwindelrechts, dessen Hochflut seit der Revolution fast noch
schlimmer geworden ist, als die Papiergeldüberschwemmung, zu einem
göttlichen Recht kommen, das aus der Tiefe der mitteleuropäischen Seele
in lebendigem Rechtsgefühl geboren und
in dem festen Grunde des mitteleuropäischen Sippengedankens verankert
ist. Dieses Recht wurde unter freiem Himmel im Schatten der heiligen
Banneichen gesprochen, von denen Hindenburg seinen eigentlichen Namen
Beneckendorff trägt. In ältester Zeit war der Thingplatz durch
Haselnußhecken umhegt.
Daß der Wolf auf Rom zielt, dessen erste Könige von einer Wölfin, dem
Sinnbild der Machtgier, großgesäugt worden ist, bedarf keiner weiteren
Worte. Erst nachdem die alte mitteleuropäische Gerichtsbarkeit vom
römischen Eigentumsrechte verschlungen war, ging es auch dem
mitteleuropäischen, materiellen Recht an den Kragen.
Dabei kam Rom die Naturverbundenheit des mitteleuropäischen Gemüts
zustatten. Nach seiner ganzen Veranlagung nimmt der Mitteleuropäer
eigentlich nur Weltanschauungsfragen ernst. Politische und Rechtsfragen
vergißt er gerne über Blütenduft und Vogelsang, wie unser Märchen das
so meisterhaft schildert. Rom und seine Helfer wußten dies und nutzten es
weidlich aus. Denn sie haben große Ohren und ein langes Gedächtnis. Der
Mitteleuropäer
vergißt heute schon, was gestern gewesen ist. Die Täuschung, durch die
sich das römische Recht an Stelle des uralten Sippenrechts gesetzt hat,
kann nicht ewig währen. An seiner ungeheuren Gefräßigkeit, seiner
selbstsüchtigen Gier, wird der römische Wolf erkannt. Wenn nur erst im
Mitteleuropa der Jäger (J.G.) der göttliche Geistesmensch, erwacht ist,
dann wird
er das mitteleuropäische Recht aus der Gewalt derer befreien, deren Gott
der Bauch, der materielle Genuß ist, die die ganze Welt sich versklaven
möchten. Denn das Steingehege der mitteleuropäischen Rechtswaltung
können sie nicht vertragen.
Das Rotkäppchen hat noch eine Fortsetzung: Ein anderer Wolf versuchte in
gleicher Weise Rotkäppchen zu verführen und sprang, als es im mißlang
auf Rotkäppchens Heimkehr lauernd, der Großmutter aufs Dach.
Die Großmutter merkte,
was er im Sinne hatte. Sie ließ Rotkäppchen in einen großen Steintrog
vor dem Hause Wasser tragen, in dem sie tags zuvor Würste gekocht hatte,
bis er ganz voll war. Gierig nach dem ihm in die Nase steigenden Geruch,
machte der Wolf den Hals so lang,
daß er ins Rutschen kam und in dem großen Troge ertrank. Dieser Zusatz
ergänzt die Haupterzählung vortrefflich. Er enthält eine tröstliche
Zukunftsverheißung.
Den Leuten, die jetzt bei uns aufs Dach gestiegen und obenauf sind, wird
schließlich die eigene Gier zum Verhängnis werden. Sie werden kurz vor
Erreichung ihres Zieles scheitern. Der Mitteleuropäer wird sich seines
Ursprungs, seiner Urentstehung (UR-AST - Wurast - Wurst) bewußt werden
und wird auch die alten geweihten Rechtsformen (Steintrog) wieder neu
beleben. Durch diese formelle und materielle Wiederherstellung des Rechts
(Ruot) wird der römische Giergeist zugrunde gehen.
|
|
|
|
|