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Der Weltenberg

       
     
       
     

       
     
       
     

Der Weltenberg

Eine kleine aber feine Reflexion

In vielen alten Kulturen existierte die Vorstellung eines Weltberges, um welchen Sonne und Mond im Kreise gehen. Bei den arischen Indern ist das der Berg Meru („der Leuchtende“, was auf eine Vulkanvorstellung hindeutet). Dem Rigvedda (das ist der älteste Teil der heiligen Schriften der Inder) entsprechend, liegt er unter dem nördlichen Himmelspol. Er hat drei ringförmige Absätze. Die Sterne umwandeln ihn in engen Kreisbahnen. Auf seinem Gipfel wohnen die Götter und Ahnenseelen. Eine späte und phantastische Vorstellung des Berges Meru findet sich auf dem sogenannten Tamamuschischrein (um 600), eine andere in der chinesischen Ku-K’ai-Tschirolle (London, Brit.Museum). Stufenpyramiden sind künstliche Weltberge, ebenso wie die drei Stufen des Unterbaues klassischer Tempel diesen symbolisieren (der Tempel selbst ist ja Symbol der Götterwohnung).

Es ist anzunehmen, daß der Weltberg ein natürliches Vorbild hat. Theoretisch müßte er mit dem Nordpol identisch sein. Am Nordpol befindet sich aber kein Berg und es ist auch nicht anzunehmen, daß der Pol von den Menschen der Vorzeit erreicht werden konnte. Da aber um den Weltberg Sonne und Mond im Kreis gehen müssen - alle Weltbergdarstellungen zeigen Sonne und Mond, muß er im hohen Norden, innerhalb des Polarkreises liegen. Die Vulkane Spitzbergens oder Islands kämen theoretisch dafür in Frage. In antiken Schriften ist oft von mehreren Säulen des Himmels die Rede.

Wir glauben aber, daß der Beerenberg auf der Insel Jan Mayen das Vorbild des Weltberges ist. Jan Mayen liegt am 72. Breitegrad. Der Beerenberg ist ein 2341 m hoher Vulkankegel, der über den Meeresspiegel aufsteigt. (2.277m nach neuer Berechnung) Auf einen sich aus Süden nähernden Schiffer mußte er eine grandiose Wirkung ausüben und tatsächlich den Eindruck erwecken, daß er unter dem Pol stünde und alle Gestirne um ihn im Kreise gingen. Man stelle sich vor, er sei auch noch in Tätigkeit gewesen, und, bei entsprechender Witterung (einem Hoch), wäre eine Rauchsäule aufgestiegen, welche sich dann in höherer Schicht waagrecht ausbreitete. Dann haben wir die den Himmel tragende „Weltsäule“ und sogar das Bild, welches die Irminsul in ihrer stilisierten Form bietet. Die Insel weist außerdem eine Steilküste auf.

Abbildung : Die Insel Jan Mayen

 

 

Abbildung : Entstehung und Darstellung der Irminsul


Für die nordischen Seefahrer war es, im Klimaoptimum und dem technischen Stand ihrer Schiffe entsprechend (spätestens in der Hochbronzezeit), ohne weiteres möglich, Jan Mayen zu erreichen. Ihr Forscherdrang und ihre Abenteuerlust läßt mit Sicherheit annehmen, daß sie so weit vordrangen. Die Katastrophen des 13. Jh. haben freilich das Nordmeer für lange Zeit vergessen und unzugänglich gemacht. Doch in den Mythen der Völker lebte die Weltbergvorstellung fort. Es wurde angenommen, daß PHIDEAS von Massilia bis Jan Mayen vorgedrungen sei, aber die ungenaue Überlieferung läßt einen Beweis nicht zu. Um 880 umschiffte ein heidnischer Norweger aus Halogaland namens OTTAR, angeblich als erster, das Nordkap und erzählt König ALFRED von England darüber, der den Bericht in einer Chronik festhalten läßt. OTTAR findet in Nordskandinavien nur finnische Jäger und Fischer. Er dringt bis in die Dvinamündung vor, muß aber vor den dort lebenden Menschen flüchten. Jan Mayen wird erst vom Kapitän gleichen Namens (wieder) entdeckt. Die Insel kam 1920 zu Norwegen, ist aber seit dem 2. Weltkrieg militärisches Sperrgebiet.

Die indische Mythologie kennt die Vorstellung, das All ruhe auf einem einbeinigen Ziegenbock. Dann wäre das eine Bein der Weltberg, der muckende Bock der Vulkan, das ganze als Allegorie des labilen Seins der Welt, bei stets drohender Katastrophe. Die Hörner des Bockes ähneln den Voluten der Irminsul.

 

Abbildung : Der einbeinige Ziegenbock

 

       
               
               
     

       
               
               
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