Abendrot
und Morgenrot
Wenn
des Abends der Tag die Nacht berührt,
das
Tor sich öffnet, das in andere Welten führt,
wenn
nichts mehr an des Tages Kühle gebunden erscheint
und
die Phantasie mit der Wirklichkeit sich vereint,
dann
schimmert viel durch des Abendrots Schein,
was
unwirklich ist – zu dieser Stunde kann es doch sein!
Da
verbinden sich miteinander im goldenen Lichte,
was
Bestandteil ist jeder Lebensgeschichte:
Das
eine ist Ausklang des Heute, das andre Aufgang des Morgen.
Jeder
neue Tag hat seine eigenen Freuden und Sorgen,
welche
mit dem Morgenrot in die Zeit aufsteigen
und
im Abendrot sich dem Vergehen zuneigen.
Abendrot
und Morgenrot sind miteinander verwandt.
Das
eine wie das andre aus dem Unbekannten gesandt.
Und
aus dem Ausklang des einen wird der Aufgang des andren.
Ein
unablässiges durch die Zeitläufe Wandern.
Und
es sind immer sie gleichen Farben, die Zeichen,
am
Abend wie des Morgens die gleichen.
Wo
ist Aufgang? Wo Ausklang?
Wo
Ende? Wo Anfang?
Wir
können’s nicht sehen,
können
nur verstehen,
daß
verschieden ist, was so ähnlich erscheint;
und
ist dennoch gleich.
Wer
es empfindet ist reich.
Aufgang
und Ausklang unterscheiden sich nicht -
nicht
auf erkennbare Weise.
Doch
zwischen beiden verläuft unsere Lebensreise.
Sie
ist gemalt mit den Farben von Abendrot und von Morgenröten.
Ein
Gemälde voller Erfahrungen, Glück, Freuden und Nöten.
Sobald
wir die Art des Gemäldes verstehen,
werden
wir in seinem goldenen Licht die Zeitlosigkeit sehen.
Denn
in jeden von uns ist es gelegt,
wie
er sich zwischen Morgen- und Abendrot bewegt.
Und
uns allen ist das Wissen zugedacht:
Die
Zeit hat keine Macht!
Keine,
die wir selbst ihr nicht geben –
was
wir nicht nähmen als Teil vom Leben.
Wir
alleine entscheiden, wo wir Abend- und wo Morgenrot sehen.
Das
eine wie da andre ist schön.
Und
aus seinen Farben werden stets neue Bilder entstehen,
die
uns gehören, sobald wir sie sehen,
deren
Bestandteile wir aber auch immer sein werden –
sei’s
einmal im Jenseits oder hier auf Erden.
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