Versäumnis
So
mancher Brief -
in
alten Schachteln aufgefunden -,
wo
er viele Jahre unbeachtet schlief,
geschrieben
und geschickt einst von Personen,
an
deren Namen wir uns kaum erinnern,
als
würd’ es dessen sich nicht lohnen.
Doch
nun entdecken wir in unsrem Innern,
daß
jeder einzelne Brief war des Beachtens wert,
und
jeder, der ihn schrieb,
dessen
Stimme wir weiland nicht gehört.
Warum
nur begreift man manches viel zu spät,
kommt
uns die Frage,
hat
da vielleicht das Schicksal einst gesät,
was
hätte gute Früchte tragen können?
Ach,
daß doch zur rechten Zeit Erkenntnis wir gewönnen!
Und
andre alte Briefe fallen nun uns auf -
all
die Antworten, die wir niemals geschrieben.
Die
Zeit, es noch zu tun, ist wohl vergangen.
Die
Menschen, die einst uns Briefe schrieben -
wie
mag’s heute um sie stehen?
Wir
werden sie vielleicht nie wieder sehen;
zumindest
nicht in dieser Welt.
Doch
hier spielt sich ja ab,
was
in diesem Leben zählt.
Was
wir hier tun, ist von uns selbst gewählt.
Was
wir versäumen in den Erdenjahren,
werden
eines Tages wir erfahren;
und
in vielem bleibt uns nur das Warten auf die Ewigkeit,
wo
sich die Dinge richten lassen -
in
einer andren Welt und einer andren Zeit.
Den
Entschluß wenigstens sollten wir nun fassen.
Das
hilft freilich nicht viel im Augenblick.
Der
gute Vorsatz mag beruhigen,
doch
hier vergangne Jahre kehren nicht zurück.
Und
dennoch lernen wir aus jedem ungeschriebenen Brief,
daß
vieles eben nicht so lief,
wie
es hätte laufen sollen.
Wir
wissen immerhin, was wir verbessern wollen.
Mitunter
zählt der Wille für die Tat
auf
jener schicksalhaften Ebene,
die
zu entscheiden hat,
ob
uns die neue Chance wird gegeben -
noch
da hier in diesem Leben!
Das
kann kein Mensch für sich erzwingen,
und
trotzdem könnte es gelingen,
wenn
wir gegen eigne Schwäche uns endlich aufbäumen,
nicht
abermals verkennen und versäumen,
was
zu erkennen doch so einfach ist.
Das
zu begreifen, haben wir noch eine Frist.
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