Vorüber – und doch nicht vorbei
Manchmal – gar nicht selten –
huscht an unserem Leben etwas vorüber:
Sollte es uns etwa gelten?
Wir wissen nicht, begegnet’s und nochmals wieder?
Wie ein Auto, das rasend schnell auf der Straße vorbeikam -
und schon war es hinter der nächsten Biegung dahin.
Es ging so schnell, daß man’s kaum wahrnahm.
Trotzdem blieb es uns noch im Sinn.
Das Auto ist nur ein Sinnbild für vieles andre im Leben,
und die Straßenbiegung desgleichen:
Zu spät hingeschaut: was könnt es da geben?
War es womöglich dazu gedacht, uns zu erreichen?
Zugedacht von wem?
Von einem ziellosen Schicksal?
Das wär zu bequem!
Was immer wir tun: es ist unsre eigene Wahl!
Was wir tun oder lassen:
Wir entscheiden es selbst, und meistens allein.
Manches vermögen wir nicht zu fassen,
und irgendwann fällt uns dann womöglich ein:
Da ist etwas vorübergegangen –
ein Mensch, eine Sache oder eine Idee –
die wir nachträglich gern würden fangen;
und das „Vorüber" tut weh.
Hätte dies tatsächlich ein Auto sein können,
an dessen Steuer vielleicht jemand Besonderes saß,
so würde man gern das Autokennzeichen jetzt kennen.
Bloß daß man einst darauf zu achten vergaß.
„Was war das doch gleich für eine Autonummer?"
Es fällt uns nicht ein, es fuhr ja so schnell vorbei.
Das bereitet nun auf einmal Kummer -
als ob da etwas ganz Besond’res gewesen sei.
Hätten wir damals doch besser hingesehen!
Hätten der vagen Eingebung nachgegeben:
„Genau jetzt kann etwas Wichtiges geschehen,
etwas, das sich auswirkt auf unser ganzes Leben."
Wir taten dies nicht – und es huschte vorbei!
Jetzt kehrten wir gern an jenen Punkt zurück,
um zu erkennen, ob’s wirklich wichtig gewesen sei -
womöglich ein Schlüssel zu mittlerweile verlorenem Glück?
Und was einstens so schnell vorübergebraust –
kein Auto, nein, etwas von höherem Wert –
ganz plötzlich durch die Gedanken saust,
so daß es den Blick auf den Alltag schon stört.
Dieser Augenblick aus einem längst vergangenen Jahr,
hat nun andauernde Unruhe gebracht.
Daß jener Augenblick wirklich schicksalhaft war –
wir hätten es früher niemals gedacht.
Vielleicht war’s auch nicht so!
Möglich, das bilden wir uns jetzt bloß ein.
Es macht uns aber doch nicht so recht froh,
diesbezüglich im Ungewissen zu sein.
Das Schicksal, das selbst bewußtseinslos ist,
das nichts bewirkt, was wir nicht selber wollen,
trägt an alledem keine Schuld.
Wenn wir durch die Zeit zurückkehren sollen,
so genügen dazu das Wollen und ein wenig Geduld.
Was immer für uns wichtig und richtig sei,
das huscht vielleicht einmal vorüber –
doch es ist niemals unwiederbringlich vorbei.