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Gedanken in Versen (17)
Hugin und Munin
Dem Gott des Nordens, Odin,
stand ein Rabenpaar zur Seite,
der Eine Hugin zubenannt,
und Munin hieß der Zweite.
Es trug sie ihrer Flügel Schwung,
durch alle Zeit und Schranke.
Munin war die Erinnerung,
und Hugin der Gedanke.
Treu wurde durch sein Rabenpaar,
dem Gott alltäglich Kunde,
was in der Welt geschehen war,
daß er auf festem Grunde,
sein Reich gebaut, und Alt und Jung,
in Treue niemals wanke,
deß freut ihn die Erinnerung,
ergötzt ihn der Gedanke.
Und Odin herrschte lange Zeit,
in ungetrübtem Glücke,
das weckt des bösen Loke Neid,
durch arge List und Tücke.
Lähmt er der Raben Flügelschwung,
bannt sie in enge Schranke,
da trübt sich die Erinnerung,
empört sich der Gedanke!
Und sieh, es fühlt im eig'nen Blut,
Odin das Gift des Bösen,
er will in seinem grimmen Muth
die Raben nicht erlösen.
Daß sie, wie einst, ihr Flügelschwung,
sie trag durch Zeit und Schranke,
da quält ihn die Erinnerung,
zernagt ihn der Gedanke!
In seinem Zorne will der Gott,
die Raben ganz zerstören,
daß sie nicht länger, wie zum Spott,
sich gegen ihn empören.
Doch, trotz gewalt'gem Keulenschwung,
lebendig in der Schranke,
bleibt Munin, die Erinnerung,
und Hugin, der Gedanke.
Ob auch auf kurze Zeit gezähmt,
sie waren nicht zu zwingen,
ob auch ihr Flügelpaar gelähmt,
es wuchsen neue Schwingen.
Und mit gewalt'gem Flügelschwung,
aus Odin's Dienst und Schranke,
floh Munin, die Erinnerung,
und Hugin, der Gedanke.
Als sich das Rabenpaar entschwang,
war Schrecken in Walhalle.
Die Flucht ward Odin's Untergang,
todt sind die Götter alle.
Unsterblich aber, stark und jung,
Durch alle Zeit und Schranke
fliegt Munin, die Erinnerung,
und Hugin, der Gedanke.
Friedrich von Bodensted, 1819-1892
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