Zeitfrage
Die letzten Sommertage werfen erste herbstliche Blätter
hernieder.
Wir bemerken: Die Herbstzeit kehrt in diesem Jahr wieder.
Noch ist es nicht ganz soweit –
doch nicht fern ist
diese Zeit.
Bald heben kühle Winde an, alles wird verändert
aussehen.
Wir werden über herbstbunte Fußwege gehen,
die Straßen entlang wirbelt vielfarbiges Laub aus den
Bäumen,
wo solche die Straßen umsäumen.
Daran ist nichts außergewöhnlich.
In jedem Jahr erleben wir’s ähnlich.
Jahreszeiten: Die Uhr der Natur.
Schwer zu sagen,
ob der nächste Herbst wirklich ein
andrer als der vorige ist.
Was gäbe es schon, woran sich das mißt?
Sind unsere Maßstäbe, die uns selbstverständlich
erscheinen,
so zuverlässig und wirklich, wie wir es meinen?
Könnte’s nicht vielmehr ebenso sein;
das meiste davon bilden wir uns bloß ein?
Gleich, welche Jahreszeit jetzt kommt und welche
vorübergeht,
gleich, welcher Monat und Tag im Kalender steht,
gleich, was eben gerade die Uhren anzeigen,
und anscheinend sicheren Meinungen neigen:
Wer garantiert uns, daß alles wahrhaftig so ist,
bloß weil der Mensch es auf seine Art mißt?
Vielleicht ist es ja so wie beim Uhrmacher von Gustav
Meyrink,
der eine Uhr mit 14 Stundeneinteilung baut, und dieses
Ding
verändert das Wahrnehmen der Zeit?
Vielleicht sind wir Menschen ja nicht so gescheit
wie wir oft denken,
lassen uns nur von Gewohnheiten
lenken?
Was wissen wir über uns denn genau?
Viele fühlen sich ach so schlau,
wenn sie von ihrem vermeintlichen Wissen sprechen.
Doch all das kann in tausend Scherben zerbrechen.
Gewiß ist doch nur, daß wir vieles glauben!
Alles andre kann uns der nächste Augenblick rauben.
Wert behält, was wir uns an Erkenntnis gewonnen.
Alles Übrige ist vielleicht schon morgen zerronnen.
|