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Rückblick |
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Am Ufer
der anderen
Wirklichkeit |
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Gedanken in Versen (2) Am Ufer der anderen Wirklichkeit Ein Sommerabend am Starnbergersee. Ein einsames Segelboot ist das einzige Menschenwerk, das ich seh’. Geräuschlos bewegt es sich langsam dahin. Mir kommt in den Sinn: Wenn dies Boot nicht wäre – wer wollte noch sagen, wo ist die wirkliche Welt? Hier unten – oder da oben zwischen den Wolken am Himmelszelt? Auch dort will sich ja eine Landschaft zeigen; und man möchte wohl dazu neigen, in den Wolkengebilden Meer, Tal und Berge zu erkennen, um all das eine zweite Wirklichkeit zu nennen. Je länger der Blick wandert zwischen unten und oben, der Geist fragt sich: ist die Wirklichkeit hier – oder dort droben? Die Wirklichkeit hier spüre ich durch das Holz der Bank, auf der ich mich niedergelassen; sie ist grob, hart und blank, läßt sich mit Händen fassen. Jeder Weg in dieser Welt will bewältigt sein mit den Füßen, oder du mußt dich entschließen, ein Hilfsmittel zu verwenden, ein Auto, ein Flugzeug oder die Eisenbahn - darauf kommt es nicht an - du könntest einen Weg auch reiten zu Pferde; immer bleibst du doch im Bann dieser Erde. In die andre Welt dagegen schwebt der Geist mühelos. Unbeschränkt wandert er, seine Kräfte sind wunderbar groß. Wie könnte das sein, gäb’s nichts andres als den Stoff dieser Welt, wie’s uns graue Wissenschaft erzählt? Die westliche Theorie von der Evolution, wie auch die östliche von Reinkarnation, all das, was nur in Erdenstoff kann denken, will die Menschen wohl doch in die Irre lenken! Der Geist ist stärker als der Stoff, das erweist sich stets und überall. Dazu sind weder Lehrbücher nötig, noch eines Gurus Wörterschwall. Wär der Geist an einen hiesigen Körper gebunden – wie sollte er unbegrenzt reisen können in ferne Welten, die keine Landkarte kennt, die kein Geograf je beim Namen nennt, weil für sie nicht irdische Maßstäbe gelten? Keiner vermag es zu fassen, doch jeder weiß, daß es so ist! Wie’s darum im einzelnen steht, erkennen wir nach der Frist, die uns auf der Erde gesetzt durch hier dieses Leben. Anschließend wird es Neues und Größeres geben. So stell ich’s mir vor, so empfinden es Fühlen und Denken. Von ungefähr scheint stiller Rat alles zu lenken. Die Welt in der anderen Wirklichkeit, die frei ist vom Zwange der irdischen Zeit, sie ist Heimat dem weit schwebenden Geist, wie die Erde den kleinen Schritten. Doch jetzt zählen erst einmal diese! Das alltägliche Leben will hier sein bestritten! Ich verlasse die Bank, spaziere noch kurz über die Wiese, welche das Seeufer trennt vom Weg zur Straße. Die Wolkenlandschaft über mir hat ihre eigenen Maße, und so soll es auch sein. Ich gehe heim, zurück in alltägliche Welt, die hier und jetzt für uns zählt. Da gibt es immer genügend zu tun – keine Ursache, faulenzend auszuruhen. (2002) |
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