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Rundblick |
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Deutschland – stabil, stark und verhaßt |
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Deutschland – stabil, stark und verhaßt DIE WELT, 17. Juni 2012 Die Bundesrepublik gibt den Ton an, ohne dass dies Gesten der Superiorität wären und wird dennoch dafür mit Verachtung bestraft. Doch wenn Merkel ihren Kurs verließe, wäre dies verheerend für Europa. Von Andrea Seibel Zwei Dinge im Falle der Griechenland-Wahl waren schon vorher klar. Wer auch immer gewinnen würde, die Situation wäre weiter hart. Nun scheinen die Konservativen das Rennen gemacht zu haben. Das Schlimmste ist somit verhindert worden: Ein Sieg der radikalen und uneinsichtigen Linken, die Europa auf der Nase herumtanzen wollten. Man wird Griechenland also weiterhin Stabilisierungsangebote machen können und auf mehr Zeit setzen. Ob das aber reicht? Europa ist nicht mehr, wie es war. Europa ist nicht mehr, was es war. Die Tage der Nachkriegsordnung, des Nachkriegsgefühls, sind endgültig vorbei. Heute reichen die durchaus ehrlich gemeinten Reminiszenzen an die Schreckenszeit des Krieges und die ungemeine zivilisatorische Leistung der Annäherung der Europäer, die man aus dem Munde Helmut Kohls hört, bei Juncker vernimmt und die auch das Denken Wolfgang Schäubles bestimmen, nicht mehr, um die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten. Ja, man kann damit nicht einmal mehr die Gegenwart beruhigen. Was ist geschehen? Deutschland ist stabil, stark, und es ist deswegen verhasst, bei den Griechen, bei den Franzosen und wohl bald bei Spaniern und Italienern. Stark war es vor der Krise auch. Aber es war still. Demütig und selbstlos, um dem ungeschriebenen Gesetz der Nachkriegszeit Folge zu leisten: die Verbrechen der Vergangenheit zu sühnen. Die Nachkriegszeit ging nicht 1989 zu Ende Kanzlerin Merkel besteht auf geteilter Verantwortung, sie legt Wert auf die Tatsache, dass Sparen und Sanieren der bessere Weg aus der Verschuldungskrise Europas ist. Diese anhaltende Klarheit ist selbst vielen Deutschen nicht geheuer. Und doch fallen diese eigentlich banalen Rückschlüsse auf einen Boden, der begonnen hat zu vibrieren. Die Bundesrepublik zeigt Stärke, ohne dominieren zu wollen und wird dennoch mit Verachtung bestraft. Wenn Angela Merkel ihren bisherigen Kurs änderte, wenn sie sich weichklopfen ließe, dann wäre dies wahrlich nicht gut für Europa und auch nicht für Deutschland. Dass Deutschland lange Zahlmeister der EU war, kann kein Freibrief für notorische Alimentierung sein. Und erst gar nicht solcher Länder, die unverfroren auf diesen Geldern bestehen, als seien sie ewige Reparationsleistungen. Die Nachkriegszeit ging nicht 1989 zu Ende, sondern mit der Krise der EU. Europa muss sich radikal ändern, um sich treu zu bleiben. So wie die Agenda 2010 unter Gerhard Schröder ein wichtiges Signal war, den Sozialstaat zukunftstauglich zu machen, indem man ihn begrenzt, so müssen auch Frankreich, Italien und Spanien lernen, verantwortungsvoller mit den Geldern ihrer Steuerzahler umzugehen. Und besonders natürlich Sorgenkind Griechenland. Die Deutschen werden keinem Land, bei aller Hilfsbereitschaft die sie die ganze Zeit schon an den Tag legen, den Gang durch das Tal der Tränen vergolden. Diese Zeiten sind wirklich ein für alle Mal vorbei.
Zusatzbemerkung CN: Dieser Artikel kann den Eindruck erwecken, als seien die Deutschen allenthalben unbeliebt, sogar verhaßt. Das stimmt aber nicht. Fast überall ist das Gegenteil der Fall. Insofern gibt es, trotz der augenblicklichen Krise, eine gute Entwicklung. In Sachen Griechenland sollte beiläufig auch einmal erwähnt werden, daß im Zweiten Weltkrieg nicht Deutschland Griechenland „überfallen" hat, wie oft fälschlich behauptet wird. Vielmehr marschierte Italien in Griechenland ein, das, im Schlepptau Großbritanniens, Italien häufig provoziert hatte. Aus Bündnistreue zu Italien griff dann Deutschland in diese Auseinandersetzung ein, die von Deutschland weder geplant noch erwünscht war. |
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