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Deutschland steht vor einem neuen Wirtschaftsboom

       
     
       
     

Deutschland steht vor einem neuen Wirtschaftsboom

Kanzlerin Angela Merkel warnt vor einem schwierigen Wirtschaftsjahr. Doch wer sich vom Pessimismus anstecken lässt, droht den Boom zu verpassen. 2013 schlägt die Stunde kreativer deutscher Firmen. 
Von Thomas Straubhaar, DIE WELT, 1. Jan. 2013


Es gehört zum Einmaleins der Politik, die Zukunft schlechter zu reden, als sie werden wird. Nichts fürchten Politiker mehr, als bei den Wählern Erwartungen zu erzeugen, die sie nicht erfüllen können. Denn enttäuschte Liebe führt rasch zu Frust, Zorn und Rache.

Deshalb malen Politiker – gerade in Wahljahren – die ökonomische Lage in düsteren Farben. Umso hoffnungsvoller wirken dann die eigenen Programme und umso medienwirksamer kann man sich als Krisenmanager profilieren. So ist es mehr als verständlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache die Deutschen gewarnt hat, dass das wirtschaftliche Umfeld "nächstes Jahr nicht einfacher, sondern schwieriger" werde.

Der Pessimismus der Kanzlerin steht in scharfem Kontrast zu den Erwartungen der deutschen Unternehmen. Gerade hat eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft offenbart, dass zwar einige Firmen unsicher sind, aber viele 2013 mit guten Geschäften rechnen. Die Lage ist also deutlich besser als die Stimmung.

 

Stunde kreativer Unternehmer

Das ist der Nährboden, auf dem pfiffige Menschen mit innovativen Geschäftsmodellen neue Kunden und Marktanteile gewinnen können. Bill Gates und Steve Jobs sind groß geworden, als die USA am Boden lagen und aus amerikanischer Sicht der Weltuntergang drohte. Mark Zuckerberg und all die anderen erfolgreichen Start-ups haben das Potenzial für neue Lösungen erkannt, als die Masse noch über alte Probleme diskutierte.

Es ist das Wesen ökonomischen Erfolgs, schlechte Stimmungen als Indikator für Umbrüche und neue Chancen zu verstehen. Gute Stimmungen sind gute Zeiten für Kopierer, Nachahmer und Massenhersteller, die auf der Welle des allgemeinen Erfolgs mitsurfen.

In Zeiten schlechter Stimmungen hingegen schlägt die Stunde der kreativen Unternehmer, die neue Wege gehen oder auch einmal gegen den Strom schwimmen.

Und von diesen dynamischen Tüftlern, Erfindern und Problemlösern gibt es – zumindest für den industriellen Bereich – in keinem anderen Land mehr als in Deutschland mit seinen zigtausend kleinen und mittelständischen Firmen. Deshalb steht Deutschland vor einem neuen Aufschwung und nicht am Abgrund.

 

Welt hat die Rezession überwunden

Wer sich von den pessimistischen Erwartungen für 2013 anstecken lässt, droht die Rückkehr des Booms zu verpassen. Denn die übrige Welt hat die Rezession überwunden. Sie wird im kommenden Jahr ökonomisch wieder Schwung aufnehmen.

Der absurde Streit um das Budget in den USA kann den Boom bremsen und verzögern. Aber spätestens in der zweiten Jahreshälfte wird das Wachstumstempo schneller werden. Wichtigster Motor dafür werden die noch für mindestens zwei Dekaden fundamentalen Grundkräfte der Weltwirtschaft sein: Das Bevölkerungswachstum in Asien, Afrika und Lateinamerika und die Aufholprozesse der ökonomisch noch weit zurückliegenden Volkswirtschaften.

Richtig wird jedoch sein, dass die Dynamik der Weltwirtschaft ihren Ursprung in Ländern haben wird, die von Deutschland in jeder Beziehung immer weiter entfernt sind: geografisch, sprachlich, kulturell und gesellschaftlich. Für die Erfolge der deutschen Exportindustrie sind nicht mehr vor allem die Nachbarländer verantwortlich.

 

Naher Osten mit guten Perspektiven

Sie bleiben natürlich weiterhin wichtig. Aber nur für das Niveau, nicht die Dynamik. Sie entsteht in jenen Weltregionen, die ökonomisch zurückliegen und gleichzeitig noch ein starkes Bevölkerungswachstum aufweisen. Dazu gehört Südostasien mit China, Indien und Indonesien als größte Absatzmärkte.

Aber auch der Nahe Osten und Nordafrika bieten interessante Perspektiven für deutsche Industrielösungen. Hier kommt und bleibt im Rennen, wer kluge Systeme, innovative Produkte oder Hightech-Güter anzubieten hat.

Nimmt man die positive Entwicklung in Osteuropa (insbesondere Polen), Russland, der Türkei und Lateinamerikas mit Brasilien als Zugpferd dazu, zeigt sich, dass die Weltwirtschaft die konjunkturelle Talsohle hinter sich lassen und im kommenden Jahr mit zunehmender Geschwindigkeit Fahrt gewinnen wird.

 

Sprung in ferne Welten wagen

Wer 2013 Erfolg haben will, hat keine Wahl: er muss mit immer mehr Gliedern seiner Wertschöpfungskette Deutschland und auch Europa verlassen. Denn auch drei Jahre nach Ausbruch der Euro-Krise lähmt der Kampf um die gemeinsame Währung alle Anstrengungen, die europäischen Ökonomien auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zu bringen. Konjunkturelle und strukturelle Schwächen überlagern sich.

Außerhalb Deutschlands hat der Euro-Raum bestenfalls den Anfang einer langen Stagnationsperiode hinter sich gebracht. Wer jedoch den Sprung in ferne Welten wagt, wird vom Boom profitieren können und gute Chancen auf ein erfolgreiches Jahr haben. Davon wird nicht nur die Exportwirtschaft profitieren.

Auch für die Beschäftigung hierzulande und damit für Konsum und Binnenwirtschaft wird 2013 besser und nicht schlechter werden als das vergangene Jahr.

Professor Thomas Straubhaar ist Direktor und Sprecher der Geschäftsführung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der Universität Hamburg. Er schreibt für die "Welt" in regelmäßigen Abständen Kolumnen zu aktuellen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen.

       
               
               
     

       
               
               
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