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EU-Plan zur Schuldenkrise: 
Gipfel der Verlogenheit

       
     
       
     

EU-Plan zur Schuldenkrise - Gipfel der Verlogenheit

       
     
       
     

EU-Plan zur Schuldenkrise: Gipfel der Verlogenheit

DER SPIEGEL, 29. Mai 2013

Eine Kolumne von Wolfgang Münchau

Der EU-Plan zur Aufweichung des Sparkurses ist weder politisch, rechtlich noch moralisch akzeptabel - er löst nicht einmal das Problem der Krise. Die neuen Taschenspielertricks aus Brüssel sind der Höhepunkt der Verlogenheit.

Die Angst geht um in Brüssel. Nach zwei Jahren harter internationaler Kritik gegen den wirtschaftspolitischen Sparkurs knickt die EU-Kommission jetzt ein. Sie will von der Austerität abweichen und auf Wachstum setzen.

Der Grund für diesen Sinneswandel ist einfach. Man hat sich schlichtweg verrechnet. Anstatt das Problem der zu hohen Verschuldung zu verkleinern, hat die Sparpolitik die Schuldenquoten weiter nach oben getrieben. Dieses scheinbar so absurde Phänomen tritt genau dann auf, wenn das Wachstum stärker fällt als die Schulden - was überall in Südeuropa der Fall war.

Der Richtungswandel in Brüssel wird in Deutschland mit Argwohn betrachtet. Ich nehme an, dass die große Mehrheit der Leser diesen Argwohn teilt. Ich teile diesen nur insofern, dass man wieder mal dabei ist, einen Stabilitätspakt und damit verbundene Versprechungen zu brechen, weil es kommod ist. Ich bin daher kein Freund dieser Pakte. Wir haben den alten Stabilitätspakt, den neuen Stabilitätspakt, den Fiskalpakt, und in Deutschland haben wir noch die Schuldenbremse. Da würde man doch meinen, das reicht an gesetzlichen Vorschriften, trotzdem findet die Kommission immer wieder einen Schleichweg durch das enge Netz der Gesetze. Ökonomisch halte ich das für richtig - im Sinn eines kleinen ersten Schrittes. Politisch, rechtlich und moralisch ist das aber nicht akzeptabel.

Gleiches Prinzip wie bei den Hartz-Reformen

Dass man einem Land etwas mehr Zeit für den Defizitabbau gibt, ist vertraglich sicher abgedeckt. Dass man jetzt aber anfängt, mit Buchhaltertricks die Definition eines Defizits zu ändern, indem man unschöne Posten einfach streicht, war sicher nicht im Sinne des Erfinders. Ein Defizit ist ein Defizit. Punkt. Und es gibt Zeiten, in denen Länder Defizite nicht nur haben dürfen, sondern auch haben sollten, weil sonst Instabilität droht. Da das aber nicht erlaubt ist, bleibt jetzt keine andere legale Wahl, als das Defizit umzudefinieren: Wenn ein Staat ein EU Projekt co-finanziert, dann rechnet man künftig diese Ausgaben nicht mehr zum Defizit - allerdings nur bei Ländern, die nicht einem Defizitverfahren in Brüssel unterliegen. Und jetzt will man auch noch die Kosten für Strukturreformen aus der Kalkulation herausnehmen.

In letzter Konsequenz ist es ökonomisch in Ordnung, Strukturreformen zu fördern und dafür einen Anstieg des Defizits in Kauf zu nehmen. Die überall so hochgelobten Hartz-Reformen in Deutschland wurden damals auch durch ein überschüssiges Defizit erkauft. Man erinnere sich noch an den Skandal, als Deutschland und Frankreich zusammen den Stabilitätspakt aushebelten. Jeder, der mal Strukturreformen durchgeführt hat, weiß, dass sie kurzfristig Geld kosten und sich erst langfristig rechnen.

Die Strukturreformen aber einfach aus den Staatsausgaben herauszunehmen, ist an Verlogenheit aber kaum zu überbieten. Mich erinnert das an die Geschichte eines französischen Premierministers aus den fünfziger Jahren, der es wagte, aus dem Warenkorb zur Bestimmung der Inflation die Erdbeeren herauszunehmen, weil jedes Mal im Frühjahr die Preise für dieses Produkt immer stark anstiegen.

Irgendwann sagt ein Defizit nichts mehr aus

Wenn man erst einmal diesen Weg beschreitet, endet man in den Wirren buchhalterischer Taschenspielertricks: Irgendwann weiß man nicht mehr, was ein Defizit überhaupt noch aussagt. Das Defizit ist die jährliche Neuverschuldung. Rechnerisch sollte die Summe aller Defizite den gesamten Schuldenstand ausmachen. Auch jetzt geht diese Rechnung schon nicht mehr auf, weil alle möglichen Schulden auf irgendwelchen Schattenkonten geparkt sind. Wenn man jetzt noch anfängt, Strukturreformen aus dem Defizit herauszunehmen, dann werden plötzliche alle mögliche Staatsausgaben in diese Kategorie gepresst. Extrapolieren Sie das einfach mal! Die Entwicklung der nächsten Drohne könnte man dann als eine Strukturreform der Bundeswehr auffassen, und sie wäre somit kostenfrei.

Insofern stimme ich den Bedenken des Bundesfinanzministeriums zu. Im Gegensatz zu diesen glaube ich aber, dass es besser wäre, die Defizite kurzfristig etwas steigen zu lassen und das auch offen zuzugeben, anstatt sich und den Wählern etwas vorzumachen.

Aber auch damit ist das eigentliche Problem nicht gelöst. Zum Ersten ist die Auswirkung dieser Buchhaltertricks nicht sehr groß. Für Spanien und Portugal hat es keinen Effekt, denn diese Länder unterliegen einem Defizitverfahren. Italien könnte davon profitieren, aber es handelt sich um Beträge, die ein makroökonomischer Radarschirm nicht einmal entdecken kann.

Rückführung des Sparkurses im Norden

Es gibt nur eine einzige Art, wie wir im gesamten Euro-Raum den Sparkurs im Süden neutralisieren können. Das sind nicht Ausgabenprogramme im Süden, sondern das ist eine Rückführung des Sparkurses im Norden. Die Schuldenbremse gibt uns nur minimale Spielräume und damit verbaut sie uns die Möglichkeit eines Kurswechsels. Sie ist elendes Verfassungsgesetz, sie ist aber nun mal Gesetz

Man macht in Brüssel eine Menge Getöse um nicht sehr viel. Das gilt im Übrigen auch für die deutsche Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa. Das Problem mit Geldern von Förderbanken zu lösen, hat etwas niedlich Naives an sich. In Wahrheit besteht die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen, in Strukturreformen und einem Ende des Totsparens. Das Erste wollen die betroffenen Länder nicht. Das Zweite will Deutschland nicht.

Sowohl die angebliche Kehrtwende in Brüssel als auch die Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit haben gemein, dass wir uns in Verlautbarungspolitik flüchten, die einen weit verbreiteten ökonomischen Analphabetismus in der Bevölkerung ausnützen will. Die Verlogenheit in der Euro-Krisenpolitik hat einen neuen Höhepunkt erreicht, wahrscheinlich nicht den letzten.

       
               
               
     

       
               
               
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