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Ein kaltes Nein zur Allianz des Selbstmitleids

       
     
       
     

Ein kaltes Nein zur Allianz des Selbstmitleids

       
     
       
     

Ein kaltes Nein zur Allianz des Selbstmitleids

DIE WELT, 15. Juni 2012

Südeuropa kann noch so plärren: Deutschland hat keinen Grund zur Defensive. Das sollte Angela Merkel in deutlich sagen, statt über Szenarien zu sprechen, in denen die letzten Tabus doch fallen können. Von Florian Eder

Der jüngste Tabubruch ist erst eine Woche alt. Geholfen hat er gar nicht, geschadet aber sehr: Spanien bekommen bis zu 100 Milliarden Euro zur gefälligen Verwendung für die maroden Banken von der Euro-Zone. Die verlangt aber keine Gegenleistung, keine Reformen, kein Recht zur Mitsprache.

Die Märkte, zu deren Beruhigung das Manöver hätte dienen sollen, zeigten sich kaum einen halben Tag lang angetan. Griechenland dagegen interessiert sich sehr für die Lösung, bedeutet sie doch: Es gibt tatsächlich Geld für klamme Länder, ohne dass diese groß etwas dafür tun müssen.

Gier nach frischem Geld

Das ist eine Einladung an die Allianz des Selbstmitleids in Europa und sollte dem Rest der Währungsunion zum Zeichen dienen: Seriosität und Verantwortlichkeit sind gefragt, nicht neue Tabubrüche.

Die Weinerlichen tun, als sei es das Gebot der Stunde, dass Deutschland endlich aufgibt und alles geschehen lässt, ja sogar betreibt, was die Gier nach frischem Geld befriedigt, was die Euro-Zone ihrem endgültigen Ende aber schneller näher brächte als irgendetwas jemals zuvor.

Deutschland soll endlich von der Bremse gehen, tönen sie. Mario Monti hat das hoffnungsvoll begonnene Reformwerk eingestellt, genug getan, signalisiert er, jetzt seien die Deutschen dran. Frankreich reagiert auf steigende – gesunde – Lebenserwartung mit einer Senkung des Renteneintrittsalters.

Die Griechen wollen nicht mehr reformieren, die Spanier sind sich zu fein dafür. In das Geschrei nach deutschem Geld stimmen Briten und Amerikaner ein, die um gute Ratschläge nie verlegen sind, wenn sie selbst nicht für ihre Folgen aufkommen müssen.

Der entscheidende Moment

Und sie sehen jetzt die Chance, sich durchzusetzen, da es spitz auf Knopf steht, da die Griechen entscheiden, wem sie die Führung ihres kaputten Landes anvertrauen wollen.

Es ist der entscheidende Moment für die Zukunft der Euro-Zone: Hält sie zusammen oder lässt sie ein Mitglied fallen, das die gemeinsamen Regeln wiederholt, massiv und im vollen Bewusstsein verletzt?

Will sie der Welt zeigen, dass eine Währungsunion mehr braucht als den guten Willen ihrer starken Mitglieder – oder demonstriert sie die Kraft zum Durchhalten um jeden Preis?

Die Bundeskanzlerin darf die Dynamik dieses Augenblicks nicht verstreichen lassen, seine Interpretation nicht dem Chor des Lamentierens überlassen, das Heft des Handelns nicht den Märkten. Es ist Zeit, Europa die Kühle spüren zu lassen, die Angela Merkel nachgesagt wird. Ein kaltes Nein kann erfrischend sein für aufgeheizte Köpfe.

Bestenfalls Augenwischerei

Mag sein, dass Europa eine Vision braucht. Aber von kühnen Plänen wird die EU nicht gesund. Zunächst gilt es, endlich einmal zu dem zu stehen, was verabredet, erkämpft, zu hohem Preis von Parlamenten beschlossen ist:

Wer Rettung will, muss etwas dafür tun. Wenn Merkel einknickt, wird die Vision nicht mehr als eine Illusion davon sein, wie schön und stark Europas eines Tages einmal hätte sein können. Das Zukunftsversprechen liegt in weiter Ferne: Europa soll mehr hineinregieren in die Nationalstaaten, sie besser beaufsichtigen.

Aber die Gegenleistung soll am besten sofort kommen, und deswegen ist das Reden über die tiefere Integration bestenfalls Augenwischerei, schlimmstenfalls ein Freibrief für all jene, die Sorglosigkeit leben und die Verantwortung für ihre dramatische Lage bei den anderen suchen.

Merkels Plädoyer für eine Bankenunion und für die langfristige Abgabe von Souveränitätsrechten an ein neues Europa kommt deshalb zur falschen Zeit. Euro-Bonds bedeuten eine Haftung des deutschen Steuerzahlers für italienische, spanische, französische Schulden.

Nein zu all dem Unfug

Die Forderung, dass Europas Rettungsschirme Banken direkt finanzieren dürfen. Das läuft auf eine Haftung des deutschen Steuerzahlers für die Fehler spanischer Kreditinstitute hinaus.

Die Lamentierer wollen drittens das Reformieren aufschieben und werden in der Folge dem deutschen Steuerzahler so neue Hilfsmilliarden aufbürden, weil ohne zukunftsfeste Sozialsysteme und funktionierende Arbeitsmärkte niemals etwas besser werden wird.

Ginge es nur um deutschen Eigennutz, es wäre verständlich, dass die Europäer darüber reden wollen. Aber die Bundeskanzlerin kann ganz Europa keinen besseren Dienst erweisen als Nein zu sagen zu all dem Unfug. Es gibt gute Gründe gegen den Tabubruch.

Die sollte Merkel offensiv benennen, anstatt über Szenarien für ein vereintes Europa zu sinnieren, in denen, wenn auch in ferner Zukunft, die Aufgabe der letzten Bastion der Stabilität doch möglich wäre. Die Euro-Zone muss sich endlich klar darüber werden, dass ihre Zukunft nicht allein von Deutschland abhängen darf.

Eine unerhörte Tugend

Eine gemeinschaftliche Haftung für Schulden aber wäre de facto eine deutsche Haftung: Von den vier größten Euro-Ländern hat nur noch die Bundesrepublik ein Spitzenrating.

Als würden sie Kreditanalysten und Anleihehändlern nicht einmal Grundrechenarten zutrauen, reden die Befürworter der Euro-Bonds sich und der Welt ein, dass eine verteilte Bürgschaft zu insgesamt sinkenden Zinsniveaus führte. Das mag ein paar Tage lang so sein.

Die Märkte aber werden sich nicht einmal auf kurze Frist an den Besten orientieren, sondern an den Schwächsten. Eine Union des Mittelmaßes ist noch das freundlichste Szenario für eine Euro-Zone der gemeinschaftlichen Haftung. Denn den Krisenländern wird jeder Anreiz genommen, jemals besser zu werden.

Die Rettungsschirme wurden gespannt und ausgeweitet. Mit fast 300 Milliarden Euro stehen die Deutschen im Risiko. Das ist kein kleiner Beitrag für Europa. Es ist jetzt Zeit für eine unerhörte Tugend: zu den eigenen Beschlüssen zu stehen.

Ein für alle Mal

Griechenland bekam die Voraussetzungen, sich aus der Krise herauszuarbeiten, den Schuldendienst übernehmen komplett die Helfer. Nun wird der Umgang mit Griechenland zur Bewährungsprobe für den Willen der Euro-Zone zur Selbstbehauptung.

Wählen die Griechen die Linksradikalen, die offen damit drohen, Europa ins Chaos zu stürzen, dann müssen die Hilfen gestoppt werden, dann darf ihr Wille nicht ignoriert werden, den Euro-Raum zu verlassen.

Bekommen sie dennoch weiter Geld, es wäre der letzte Tabubruch, zu dem Europa noch in der Lage wäre. Die Glaubwürdigkeit wäre dahin, ein für alle Mal.

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