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Élysée-Vertrag-Jubliäum

Angela und François preisen den "tollen Kontinent"

Zum Élysée-Jubliäum diskutierten Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande in Berlin mit jungen Menschen über Europa – in erstaunlich lockerer Atmosphäre. Angela und François duzen sich neuerdings.  DIE WELT, 23. Jan. 2013 Von Sascha Lehnartz

In Frankreich ventilieren thesenstarke, geopolitisch Interessierte gelegentlich die Vermutung, Deutschland interessiere sich ja eigentlich schon gar nicht mehr für Europa, sondern wende sich vorausschauend Russland zu.

Als Beleg für diesen Verdacht wird dann Gerhard Schröders Einsatz für den Schalke-Sponsor Gazprom genannt. Oder die Tatsache aufgezählt, dass die Kanzlerin – aus französischer Sicht – in der Nähe des Urals geboren wurde, fließend Russisch spricht und in Deauville mal einen Whiskey mit Medwedjew an der Hotelbar getrunken hat, während Sarkozy schon lange im Bett war. Manchmal, aber seltener, wird zur Untermauerung dieser Angstfantasie auch noch Kevin Kuranyi (Dynamo Moskau) erwähnt.

Am Montagabend, zum Auftakt der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags in Berlin, mussten französische Besucher im Anmarsch auf das Kanzleramt dann gar den Eindruck gewinnen, dass sich Deutschland Russland nicht nur zuneigt, sondern sich bereits in Sibirien verwandelt hat. Es war dunkel, die Straßen weiß, und eisige Windböen fegten über die unwirtliche Brache zwischen Paul-Löbe-Haus und Kanzleramt. Drinnen war die Stimmung zum Glück etwas kuscheliger.

 

In der Art amerikanischer "town hall meetings"

Im Amphitheater im Foyer des Kanzleramts begrüßte die Bundeskanzlerin zum Auftakt der großen Fête mit dem französischen Partner nämlich nicht nur Frankreichs Präsident François Hollande, sondern gleich eine Hundertschaft deutscher und französischer Schüler und Studenten.

Die Idee, diesen Festakt, der vor lauter unvermeidlicher historischer Bedeutsamkeit und aktuellem, der Euro-Krise geschuldeten traumatischen Belastungsstress schon vor dem Startschuss kaum noch laufen konnte, durch Jugendbeteiligung eine Frischzellenkur zu verpassen, erwies sich als weise.

Das Format entsprach dem, was man aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf als "town hall meeting" kennt. Merkel (in keck bordeauxrotem Blazer) und Hollande (mit der inzwischen zum Markenzeichen mutierten, schief gebundenen Krawatte) nahmen zunächst hinter einem Stehpult Aufstellung. Nach der Hälfte der Redezeit wagten sie sich weiter nach vorne und nahmen betont lässig auf lehnenlosen Hockern Platz.

 

Neuerdings duzen sich die beiden

Im Vergleich zu den bisherigen Begegnungen Merkels mit Hollande ließ sich tatsächlich ein gewisser Lockerheitsgewinn konstatieren. François und Angela duzen sich neuerdings ("François, du hast das Wort") und schießen sich langsam auf den Humor des jeweils anderen ein.

Da der bei beiden relativ schräg sein kann, birgt diese Entwicklung noch ein erhebliches Potenzial. Ein bisschen ist es mit Merkel und Hollande momentan wie beim Fracking: Da unten liegt definitiv etwas, aber man weiß noch nicht, ob man es fördern darf.

Im Hintergrund sah man das Foto von Adenauer und de Gaulle beim Unterzeichnen des Vertrags, ansonsten hielt sich die Zahl pathosgeladener historischer Referenzen im angenehmen Rahmen.

 

Merkel unterläuft ein kleiner Fauxpas

Merkel zitierte Adenauer, der gesagt habe, um einen Baum zu pflanzen, müsse man erst einmal Trümmer, Geröll und Leid abtragen. Ferner behauptete die Kanzlerin, Adenauer und de Gaulle hätten sich zum ersten Mal in der Kathedrale von Reims getroffen.

Da runzelten die Gaullisten unter den Gästen die Stirn und murmelten vernehmlich '58, Colombey-les-Deux-Églises". Aber das Versehen ist entschuldbar, denn die Kanzlerin hat, wie sie eingestand, die Geschichte des Élysée-Vertrags erst "gerade noch mal nachgelesen".

Hollande zeigte sich von den baulichen Vorzügen des Kanzleramts beeindruckt ("Amphitheater haben wir nicht im Élysée"), stellte korrekt fest, dass die Unterzeichnung des Vertrags 50 Jahre her sei – und damit eigentlich noch nicht allzu lange, denn er selbst und die Kanzlerin seien ja selbst gerade erst 58.

 

"Man ist nicht Freund, man wird es"

Den Gästen – überdurchschnittlich an Europa interessierten jungen Menschen, denn sie engagieren sich im Deutsch-Französischen Jugendwerk und anderen Institutionen – dankte Hollande, dass sie sich für die deutsch-französische Freundschaft entschieden hätten.

Denn das sei eine Wahl. "Man ist nicht Freund, man wird es." Zwei Leute, "die man alt nennen könnte", hätten den Vertrag unterschrieben: De Gaulle war 72, Adenauer 87. Nun wende man sich bewusst an die Jugend, denn die solle das Vermächtnis fortführen.

Die so freundlich anmoderierte Jugend von heute zeigte sich forsch und selbstbewusst und sprach in den folgenden eineinhalb Stunden die ihr auf den bunt lackierten Nägeln brennenden Themen munter an.

Die so freundlich anmoderierte Jugend von heute zeigte sich forsch und selbstbewusst und sprach in den folgenden eineinhalb Stunden die ihr auf den bunt lackierten Nägeln brennenden Themen munter an.

 

Fragefreudige junge Menschen

Es ging um große Dinge wie "europäische Identität" und die Zukunft der EU, genauso wie um praktische Fragen: Wie man den Spracherwerb oder Austauschprogramme verbessern kann, ob die Gelder für Erasmus-Programme gekürzt werden, oder ob man Studenten, von denen permanent Mobilität und Flexibilität erwartet, nicht subventionieren könnte, wenn sie für Job-Interviews und Praktika durch die halbe Welt reisen müssen.

Jugendarbeitslosigkeit und Umweltschutz kamen erwartungsgemäß zur Sprache, aber auch ziemlich konkrete Fragen zu französischen Lohnnebenkosten oder den Vor- und Nachteilen einer Reichensteuer.

 

"Ich bewerbe mich nicht mehr so oft"

Auffällig war, dass deutlich mehr Franzosen das Mikrofon ergriffen. Sie fühle sich "geehrt, sich hier ausdrücken zu dürfen" eröffnete eine wohlerzogene französische Studentin die Runde, und fragte danach, was die Politik tun wolle, um Deutschen und Franzosen das Erlernen der Sprache des anderen zu erleichtern.

"Ich dachte erst, Sie wollten mir vorwerfen, dass ich nicht gut genug Deutsch spreche – was ich akzeptiert hätte", antwortete Hollande witzelnd auf die Frage. Bevor er auflistete, dass die Politik einiges tue.

Das Bemerkenswerteste an dem Abend war vielleicht, dass der Ton auf angenehme Weise zwischen konkret und unterhaltsam oszillierte. Die Kanzlerin erkundigte sich bei einer französischen Arbeitssuchenden, wie das europäische Arbeitsvermittlungsprogramm Euris funktionierte – was die Marketing- und Kommunikationsstudentin aber noch nicht ausprobiert hatte.

"Dann schreiben Sie mir, wenn Sie es ausprobiert haben, ob das funktioniert oder sehr bürokratisch ist", forderte Angela Merkel die junge Frau auf. "Ich selbst bewerbe mich ja nicht mehr so oft. Und in Frankreich würde ich vielleicht auch nicht genommen."

 

Konkrete programmatische Aussagen

Aber es gab auch stellenweise erstaunliche, beinahe konkret programmatische Ansagen: François Hollande etwa hält es für denkbar, einen Teil der Erlöse der Finanztransaktionssteuer in die Vertiefung von Austauschprogrammen und die Unterstützung studentischer Mobilität zu investieren.

Zudem stellte er eine Erhöhung der Förderung der Erasmus-Programme in Aussicht. Darüber hinaus plädierte er für eine "soziale und fiskale Harmonisierung sowie für eine gemeinsame Budgetpolitik" in der EU. "Das ist ein politisches Risiko, denn es wird in unseren beiden Ländern wehtun" sagte Hollande.

Auch die Kanzlerin sprach sich für eine Annäherung der Steuersätze in den EU-Staaten aus. Dabei solle es zunächst nicht um eine Vereinheitlichung, sondern um engere "Bandbreiten" gehen.

 

Hollande will nicht über Mali streiten

Auch in der Forschungs-, und Energiepolitik, nämlich bei der Entwicklung gemeinsamer Schienenprojekte und europäischer Energienetze, sprachen sich Hollande und Merkel für engere Zusammenarbeit aus.

Und nicht zuletzt auf dem Gebiet der europäischen Verteidigung. Hollande vermied es tunlichst, den Eindruck zu erwecken, man sei in Paris mit der Unterstützung der Bundesregierung beim Mali-Einsatz (zwei Transall-Flugzeuge) nicht zufrieden.

Vielleicht brachte er gerade dadurch die Kanzlerin zu einer interessanten Reflexion über die deutsche Verteidigungspolitik: Aus guten Gründen müsse in Deutschland das Parlament über Militäreinsätze entscheiden, und das dauere eben. Aber dies stehe in einem gewissen Widerspruch dazu, dass man Krisenreaktionskräfte unterhalte.

"Es muss eine Verlässlichkeit geben, dass Deutschland zur Verfügung steht" sagte die Kanzlerin. Das klang fast nach einer Veränderung der Militärdoktrin. Damit werde man sich in dieser und eventuell den nächsten Legislaturperioden noch beschäftigen, müssen, sagte Merkel.

 

"90 Minuten sind schon nicht schlecht"

Aus all dem, was an diesem Abend gesagt wurde, ließe sich jedenfalls beinah eine Programmschrift für einen neuen Élysée-Vertrag formulieren.

Die "Jugend von heute", für die die Veranstaltung gedacht war, zeigte sich angetan. Lisa Mosa, Schülerin vom Lycée Jean Moulin aus dem südfranzösischen Pézenas, fand: "Es wurde wirklich über Themen geredet, die uns betreffen."

Tobias Rachidi, 18, Wirtschaftsingenieurstudent aus Karlsruhe, fragte Hollande nach den Lohnnebenkosten und bekam vom Präsidenten die neckisch anerkennende Antwort, er stelle die Frage wohl für die französische Wirtschaft.

Rachidi war zufrieden. Ein großes Privileg sei es, diese Fragen stellen zu dürfen, "es sind zwar nur 90 Minuten, aber 90 Minuten mit dem Präsidenten und der Kanzlerin sind ja schon mal nicht schlecht".

 

Merkel will ordentlich Französisch lernen

Und die jungen französischen Offiziersanwärter, die auf der Helmut-Schmidt-Hochschule der Bundeswehr studieren, fanden, die Kanzlerin und der Präsident hätten "den Fisch nicht ertränkt". Das ist eine hübsche französische Formulierung, um anzuerkennen, dass nicht um den heißen Brei geredet wurde.

Man lebe auf einem "tollen Kontinent", sagte die Kanzlerin, und der Präsident pflichtete bei, man könne stolz auf Europa sein. Angela Merkel verpflichtete sich übrigens, nach Ende ihrer Amtszeit ordentlich Französisch zu lernen. Möglicherweise beginnt sie im kommenden Wintersemester.

© Axel Springer AG 2013. Alle Rechte vorbehalten


Anmerkung CN:

Der Élysée-Vertrag, der die deutsch-französische Freundschaft begründete, war zweifellos einer der wichtigsten politischen Schritte im 20. Jahrhundert. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer ist dafür noch heute zu danken!



Was immer die politischen Führer Europas, die nach diesen beiden Männern kamen, auch falsch gemacht haben mögen. Der Élysée-Vertrag war eine historische Großtat!

Die heutigen Nachfolgepersonen von Adenauer und de Gaulle werden noch viel lernen müssen, um das Format dieser großen Staatsmänner zu erreichen. Und daß wieder solche Menschen kommen, ist für Europa zu wünschen!

 
       
               
               
     

       
               
               
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