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Ministerin Kristina Schröder

       
     
       
     

Ministerin Kristina Schröder

       
     
       
     

Ministerin Kristina Schröder
Respekt vor einer couragierten Frau!

Ministerin Kristina Schröder schrieb ein Buch mit dem Titel: "Danke, emanzipiert sind wir selber". Kristina Schröders Buch war von Anfang an hitzig gestritten. Die etablierten und gleichsam quasi gleichgeschalteten Massenmedien geben sofort kontra – wie es von ihnen nicht anders erwartet werden kann. Kristina Schröders doch nicht so ganz aus der Sicht der Kommerzialisierung des Menschen, insbesondere der Frau, geschrieben, wie die Spekulanten, „Märkte" & Co. es sich wünschen, und diese regieren unübersehbare Weise de facto die „Westliche Welt". „Die 34-jährige Familienministerin von der CDU wird – wieder einmal – öffentlich demontiert", kommentiert „Die Welt", die ein wenig von der üblichen Linie abzuweichen versucht. „Welt-online" entnehmen wir daher das nachstehende Interview, welches dort dankenswerter Weise zu finden ist (21. April 2012), was keineswegs selbstverständlich ist, weshalb DIE WELT dafür Anerkennung verdient.

Welt Online: Frau Schröder, Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre Ministerin. War das Ihre schlimmste Woche?

Kristina Schröder: Nein. Ich wußte, daß dieses Buch heftige Reaktionen hervorrufen wird, und insofern bin ich vom Gegenwind nicht überrascht. Politikern wirft man oft vor, keine Überzeugungen und Werte zu haben, über die sich streiten ließe. Das scheint bei meinem Buch anders zu sein.

Welt Online: Die Kritik war zum Teil sehr persönlich und giftig.

Kristina Schröder: Das belegt die These des Buches. Über die Lebensentwürfe von Frauen tobt eine wahnsinnig heftige Debatte – wie man bei der Buchvorstellung am Dienstagabend im Prenzlauer Berg sehen konnte. Die Medienberichte über den Abend waren aber übertrieben.

Richtig ist, ein Teil der Besucher in dem Saal war auf Krawall gerüstet – aber das waren bekannte Aktivisten. Bei denen konnte ich nicht mit Beifall rechnen.

Welt Online: Warum sind Sie ausgerechnet in den politisch korrekten, ziemlich grünen Szenebezirk gegangen?

Kristina Schröder: Ich wollte nicht ein schickes Hotel in Charlottenburg mit einer exklusiven Gästeliste am Entree. Dieses Buch will zur Diskussion einladen – und zwar alle, die das Thema interessiert und erregt. Und im Zweifelsfall auch diejenigen, die mich nicht ausstehen können.

Welt Online: Gab es auch Unterstützung für Ihre gedankliche Arbeit?

Kristina Schröder: Na klar. Ich würde behaupten, daß die meisten Frauen das Thema des Buches gut kennen: Egal, was man als Frau macht, immer wieder führt man angeblich das falsche Leben. Wenn Frau sagt, sie bleibt zu Hause, dann ist sie das Heimchen am Herd. Das erleben wir auch gerade im Moment wieder in der Betreuungsgelddebatte.

Wenn sie sagt, sie will arbeiten, dann ist sie die egoistische Karrierefrau. Und wenn sie beides vereinbart, gilt sie entweder als Rabenmutter oder als Latte- Macchiato-Mutter, je nach Blickwinkel.

Diese Debatte kennt praktisch jede Frau in Deutschland, die ein Kind hat. Und deswegen treffe ich mit dem Buch einen Nerv, wie auch Verkaufsrankings bereits zeigen. Die, die mich nicht mögen, können das Buch im Übrigen auch ohne Gewissensbisse kaufen: Ich verdiene daran nichts.

Welt Online: Ihr Buch hat unsere Redaktion gespalten: Die Frauen kritisieren Sie scharf, die Männer verteidigen Sie. Überrascht Sie das?

Kristina Schröder: Noch mal: Dieses Thema reizt viele. Wenn Sie die Betreuungsgelddebatte nehmen, dann wird hier von Herdprämie gesprochen und damit der Lebensentwurf von 60 Prozent der Familien abgewertet. Und andererseits gibt es oftmals immer noch negative Reaktionen, wenn man nicht in Berlin-Prenzlauer Berg, sondern zum Beispiel in ländlichen Regionen wohnt und dann früh nach der Geburt wieder zur Arbeit geht.

Das habe ich doch ähnlich selbst erlebt. In Zuschriften hieß es, ich solle mich schämen und daß man hoffe, daß ich das erste Wort meiner Tochter verpaße, das erste Lächeln und die ersten Schritte.

Welt Online: Wollen Sie ein Vorbild sein?

Kristina Schröder: Ich sage: Wir brauchen keine Leitbilder und keine Bevormundung. Daß ich als Ministerin natürlich auch Vorbildfunktion habe, ist doch klar. Aber ich erhebe mein Lebensmodell eben nicht zum einzig richtigen.

Daß ich die erste Ministerin mit Baby bin, führte dazu, daß ich öffentlich sagen mußte, daß ich nicht mehr so uneingeschränkt verfügbar bin wie vorher, mehr Termine absagen muß und versuche, keine Besprechung nach 17 Uhr zu machen. Oder auch notfalls mal einen Tag von zu Hause arbeite. Oder auch mal meine Tochter mit ins Büro nehme. Als ich das verkündet habe, gab es sofort heftige Angriffe, ob ich mir denn einbilde, daß das auch eine normale Arbeitnehmerin kann. Natürlich können das die meisten leider nicht.

Deshalb kämpfe ich ja dafür, daß das wesentlich mehr Frauen auch mal könnten. Wenn man eine rein individuelle Auskunft gibt, à la "ich habe das Glück, daß ich es jetzt heute so machen konnte", wird sofort ein Rollenmodell für alle Frauen daraus konstruiert. Diese tiefe Sehnsucht in Deutschland nach dem einzig selig machenden Leitbild, die ist irre.

Welt Online: Warum ist das so?

Kristina Schröder: Vielleicht weil der Mythos der Mutter in diesem Land so sehr mit Aufopferung und Pflicht aufgeladen ist. Einerseits hat man als Mutter oft den Eindruck, man ist nur dann eine gute Mutter, wenn man es sich so schwer wie möglich macht, am besten noch die Windeln waschen und den Brei selbst kochen.

Andererseits wird immer mehr das Bild von der modernen Supermutter gepusht. Die soll die verschiedenen Anforderungen nicht nur vereinbaren, die soll sie addieren. Perfekte Mutter, super Karriere, speckfreier After- Baby- Body, für den Mann die inspirierte Gesprächspartnerin und die tolle Geliebte. Das erschlägt Frauen.

Welt Online: Eigentlich machen Sie etwas theoretisch Linkes. Sie dekonstruieren Normen und Mythen, aber gerade die Linke haßt Sie besonders.

Kristina Schröder: Auch da gibt es Leute, die kritisch, aber konstruktiv diskutieren. Angegriffen werde ich von den Ideologen.

Welt Online: Sind Sie eine mißverstandene Liberale?

Kristina Schröder: Kommt darauf an, was man unter liberal versteht. Richtig ist: Nirgendwo hat Freiheit und Selbstbestimmung einen so guten Platz wie in der Familienpolitik. Die Frauen, Männer und Familien sollen und können selbst entscheiden, was sie wollen.

Ich habe ein politisches Buch geschrieben, auch weil es eine Abgrenzung vornehmen will, bis wohin geht das Recht aufs Private, wo fängt die Pflicht der Politik an. Es geht um die zutiefst politische Frage nach den Grenzen der Politik.

Welt Online: Haben Sie das Buch als Ministerin oder Privatperson geschrieben?

Kristina Schröder: Das kann man im Kopf nicht trennen. Das Buch hat eine klare Ich-Perspektive.

Welt Online: Die Opposition wirft Ihnen vor, eine Mitarbeiterin Ihres Ministeriums als Co-Autorin mißbraucht zu haben. Ist das so?

Kristina Schröder: Nein, natürlich nicht. Meine Co-Autorin Caroline Waldeck war auch ziemlich entsetzt, daß Frau Künast ernsthaft so tut, als müßte man einer erwachsenen Frau verbieten, in ihrem Urlaub an einem Buch mitzuschreiben. So weit kommt es noch.

Welt Online: Gab es im Kabinett Unterstützung?

Kristina Schröder: Am Mittwoch wurde ich im Kabinett oft gefragt, wie heftig es denn wirklich zuging am Prenzlauer Berg. Aber eher mit Heiterkeit (lacht). Das haben sich noch nicht so viele zugemutet.

Welt Online: Sie sind früh mit streitbaren Positionen aufgefallen, zum Islamismus, zum heterosexuellen Sex, zu Alice Schwarzer. Woher kommt die Neigung zum Polarisieren?

Kristina Schröder: Ich bin ein eher analytischer Mensch und denke aber leidenschaftlich über Gesellschaftspolitik nach. Gerne akzeptiere ich auch andere Werturteile. Von mir werden Sie nicht erleben, daß ich andere beleidige, nur weil wir konträre Werturteile fällen. Es geht um das Wertefundament, die Struktur unserer Meinungen und Haltungen.

Das Interesse an solchen weltanschaulichen Fragen hat mich auch als junge Frau in die Politik gebracht. Als Frauenministerin ist es richtig, sich mit dem Feminismus auseinanderzusetzen. Wird man als Frau geboren, wird man dazu gemacht? Welche Rolle spielen Stereotype von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Gesellschaft, in der Politik? Das muß man für sich klären.

Fast nichts ist wertfrei zu begründen. Deshalb müssen Politiker noch deutlicher machen, für was sie stehen: für welche Werte und warum. Darüber hinwegzuhudeln ist nicht mein Ding.

Welt Online: Die Union tut das gerne. Sie wirkt häufig profillos.

Kristina Schröder: Welcher Partei wird denn überhaupt zugestanden, sie hätte noch ein klares Profil? Aber richtig ist, es schadet auch meiner Partei nicht, über Gesellschaftspolitik und weltanschauliche Fragen deutlicher und heftiger zu diskutieren. Und zwar jenseits von reinen Schlagwörtern wie konservativ, liberal, rechts, links, oben und unten.

Welt Online: Wer muß den Prozeß anschieben in der Union? Der Generalsekretär, der Fraktionschef?

Kristina Schröder: Da sind alle in der Pflicht. Deswegen habe ich auch einen Beitrag geleistet.

Welt Online: Damit stehen Sie aber allein?

Kristina Schröder: Das hat auch mit dem Zuschnitt eines Ministeramtes zu tun. Wenn man den Euro rettet, spricht man vor allem über die Zweck-Mittel-Relation verschiedener Strategien. In der Gesellschaftspolitik kann man originär politischer handeln und argumentieren. Das finde ich zum Beispiel auch in der Integrationsdebatte sehr spannend.

Welt Online: Leidet die Union in den Großstädten auch deshalb, weil sie in ihrer Profillosigkeit falsche Modernität vorgaukelt?

Kristina Schröder: Man nimmt uns oft nicht authentisch ab, daß wir gewisse Lebensempfindungen nachvollziehen und uns in gewisse Milieus reinfühlen können. Wenn so jemand wie Ole von Beust antritt, dann klappt das. Dem hat in Hamburg jeder abgenommen, daß er für ein urbanes Lebensgefühl steht.

Welt Online: Also mehr lebensweltliche Themen für die Union?

Kristina Schröder: Nein, von lebensweltlicher Nähe alleine kann sich niemand was kaufen. Es geht um praktische Umsetzung: etwa um den Kita-Ausbau, um die Frage, wie Frauen und Männer leichter aus Teilzeit wieder auf Vollzeit aufstocken können, um die Frage, wie wir verhindern, daß Minijobs vor allem für Frauen zur Falle werden. Da müssen wir liefern.

Welt Online: Sind Sie zufrieden mit dem Stand der Gleichberechtigung in Deutschland?

Kristina Schröder: Nein, überhaupt nicht. Der Kita-Platz ist existenziell für die Wahlfreiheit von jungen Frauen. Sie müssen, wenn sie einen wollen, einen bekommen. Und zwar einen qualitativ hochwertigen Platz. Da hat Deutschland jahrelang hinterhergehinkt. Und das holen wir jetzt in einem riesigen Kraftakt auf. Wir werden ab 2013 einen Rechtsanspruch haben. Und das einzulösen ist eine Herkules-Aufgabe. Wir haben noch knapp über ein Jahr. Dieses Jahr muß zum Jahr der Krippenplätze werden.

Das zweite riesige Thema sind alle Fragen rund um Arbeitszeiten. Wir müssen die Elternzeit flexibler machen, damit man die drei zur Verfügung stehenden Jahre in den ersten 14 Jahren des Kindes – also bis über den Wechsel zur weiterführenden Schule hinaus – frei legen kann.

Wir brauchen ein stärkeres Mitspracherecht der Arbeitnehmerin bei der Frage der Bestimmung der Arbeitszeit in der Elternzeit. Also daß nicht jungen Müttern gesagt wird, du arbeitest jeden Abend von 16 bis 20 Uhr, und man ihnen damit einen Wiedereinstieg kaputt macht. Wir werden eine Großelternzeit einführen. Und wir brauchen neue Möglichkeiten, zwischen Vollzeit und Teilzeit alltagstauglich zu wechseln.

Welt Online: Bereuen Sie, das Buch geschrieben zu haben?

Kristina Schröder: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr dankbar, daß ich das konnte. Oft genug haben Politiker nur 30-Sekunden-Statements, um ihre Vorstellungen zu vermitteln. Oder 140 Zeichen.

Welt Online: Ihre Vorgängerin im Amt agiert populärer als Sie. Setzen Sie sich mit Ihrem Stil deutlich von ihr ab?

Kristina Schröder: Jeder Politiker muß seinen authentischen Stil finden. Ich würde meine Werte nicht aus Popularitätsgründen relativieren.

Welt Online: Sie haben Ihr politisches Schicksal auch an das Abwehren der Frauenquote geknüpft.

Kristina Schröder: Mein Vorschlag einer flexiblen Quote ist eine intelligente Quote. Wir verpflichten die Unternehmen, sich selbst eine Quote zu geben. Die müssen sie dann aber öffentlich machen und einhalten bei empfindlichen Sanktionen. Da sagen mir Kritiker, wenn die Unternehmen sich selbst eine Quote geben können, dann geben die sich alle eine Quote von fünf Prozent. Ich sage, das können die Unternehmen sich im Jahr 2012 gar nicht mehr leisten. Wer so argumentiert, unterschätzt den Druck, den Transparenz erzeugt.

Im Zeitalter des Internets gibt es dann kein Entkommen. Und er unterschätzt eines: Bei meiner Flexi- Quote sind die Unternehmen zu einer Debatte im Betrieb gezwungen. Bei einer starren Quote ändert sich an der Unternehmenskultur gar nichts. Die Dax-30- Unternehmen, mit denen ich schon jetzt solche Regelungen gefunden habe, wollen bis zu 35 Prozent auf allen Führungsebenen mit Frauen besetzen. Ein schöner Erfolg, weil er nicht nur ein paar Dutzend Aufsichtsräte in den Blick nimmt, sondern die gläserne Decke von unten durchbricht.

Welt Online: Hat man Sie bisher unterschätzt?

Kristina Schröder: Keine Ahnung. Das müssen Sie andere fragen.

Welt Online: Aber Sie werden noch immer, auch von Berliner Insidern, gerne belächelt.

Kristina Schröder: Welche junge blonde Frau wird das nicht? Und: Familienpolitik lädt eben zur persönlichen Polemik ein.

Welt Online: Sie haben einen elf Jahre älteren Bruder, der Sie – wie man lesen konnte – nicht eben geschont hat. Kann Sie deswegen in der Politik kaum etwas erschrecken?

Kristina Schröder: Mein großer Bruder hat mir beigebracht, daß man einstecken können muß, aber auch lernt, sich zu wehren. Und dagegenzuhalten. (lacht)

Welt Online: Sie bleiben auch nach solch einer Woche gut gelaunt. Haben Sie eine spezielle Atemtechnik oder Yogatricks?

Kristina Schröder: Nein, viel banaler. Ich hab ein tolles privates Umfeld und ein tolles Ministerium. Ich hab meinen Mann, meine Tochter. Die wirklich fundamental wichtigen Dinge im Leben, da hab ich das Glück, daß die bei mir stimmen.

Welt Online: Verändern Sie die harten Auseinandersetzungen? Werden Sie so zwangsläufig reifer?

Kristina Schröder: Das halte ich für Quatsch. Es ist einfach Kern des Politischen, auch streitbare Positionen zu artikulieren und zu vertreten. Dafür sind wir doch in der Politik.

Welt Online: Daß eine Frau Kanzlerin ist, was für ein Schritt war das für Deutschland in Sachen Gleichberechtigung?

Kristina Schröder: Das ist schon ein großer Schritt. Deswegen wird meine Tochter selbstverständlich so aufwachsen, daß auch sie sieht: In diesem Land können Frauen alles – auch Kanzlerin.

Welt Online: Frau Schröder, Sie sind jetzt zweieinhalb Jahre Ministerin. War das Ihre schlimmste Woche?

Kristina Schröder: Nein. Ich wußte, daß dieses Buch heftige Reaktionen hervorrufen wird, und insofern bin ich vom Gegenwind nicht überrascht. Politikern wirft man oft vor, keine Überzeugungen und Werte zu haben, über die sich streiten ließe. Das scheint bei meinem Buch anders zu sein.

Welt Online: Die Kritik war zum Teil sehr persönlich und giftig.

Kristina Schröder: Das belegt die These des Buches. Über die Lebensentwürfe von Frauen tobt eine wahnsinnig heftige Debatte – wie man bei der Buchvorstellung , Dienstagabend am Prenzlauer Berg sehen konnte. Die Medienberichte über den Abend waren aber übertrieben.

Richtig ist, ein Teil der Besucher in dem Saal war auf Krawall gerürstet – aber das waren bekannte Aktivisten. Bei denen konnte ich nicht mit Beifall rechnen.

Welt Online: Warum sind Sie ausgerechnet in den politisch korrekten, ziemlich grünen Szenebezirk gegangen?

Kristina Schröder: Ich wollte nicht ein schickes Hotel in Charlottenburg mit einer exklusiven Gästeliste am Entree. Dieses Buch will zur Diskussion einladen – und zwar alle, die das Thema interessiert und erregt. Und im Zweifelsfall auch diejenigen, die mich nicht ausstehen können.

Welt Online: Gab es auch Unterstützung für Ihre gedankliche Arbeit?

Kristina Schröder: Na klar. Ich würde behaupten, daß die meisten Frauen das Thema des Buches gut kennen: Egal, was man als Frau macht, immer wieder führt man angeblich das falsche Leben. Wenn frau sagt, sie bleibt zu Hause, dann ist sie das Heimchen am Herd. Das erleben wir auch gerade im Moment wieder in der Betreuungsgelddebatte.

Wenn sie sagt, sie will arbeiten, dann ist sie die egoistische Karrierefrau. Und wenn sie beides vereinbart, gilt sie entweder als Rabenmutter oder als Latte- Macchiato-Mutter, je nach Blickwinkel.

Diese Debatte kennt praktisch jede Frau in Deutschland, die ein Kind hat. Und deswegen treffe ich mit dem Buch einen Nerv, wie auch Verkaufsrankings bereits zeigen. Die, die mich nicht mögen, können das Buch im Übrigen auch ohne Gewissensbisse kaufen: Ich verdiene daran nichts.

Welt Online: Ihr Buch hat unsere Redaktion gespalten: Die Frauen kritisieren Sie scharf, die Männer verteidigen Sie. Überrascht Sie das?

Kristina Schröder: Noch mal: Dieses Thema reizt viele. Wenn Sie die Betreuungsgelddebatte nehmen, dann wird hier von Herdprämie gesprochen und damit der Lebensentwurf von 60 Prozent der Familien abgewertet. Und andererseits gibt es oftmals immer noch negative Reaktionen, wenn man nicht in Berlin-Prenzlauer Berg, sondern zum Beispiel in ländlichen Regionen wohnt und dann früh nach der Geburt wieder zur Arbeit geht.

Das habe ich doch ähnlich selbst erlebt. In Zuschriften hieß es, ich solle mich schämen und daß man hoffe, daß ich das erste Wort meiner Tochter verpaße, das erste Lächeln und die ersten Schritte.

Welt Online: Wollen Sie ein Vorbild sein?

Kristina Schröder: Ich sage: Wir brauchen keine Leitbilder und keine Bevormundung. Daß ich als Ministerin natürlich auch Vorbildfunktion habe, ist doch klar. Aber ich erhebe mein Lebensmodell eben nicht zum einzig richtigen.

Daß ich die erste Ministerin mit Baby bin, führte dazu, daß ich öffentlich sagen mußte, daß ich nicht mehr so uneingeschränkt verfügbar bin wie vorher, mehr Termine absagen muß und versuche, keine Besprechung nach 17 Uhr zu machen. Oder auch notfalls mal einen Tag von zu Hause arbeite. Oder auch mal meine Tochter mit ins Büro nehme. Als ich das verkündet habe, gab es sofort heftige Angriffe, ob ich mir denn einbilde, daß das auch eine normale Arbeitnehmerin kann. Natürlich können das die meisten leider nicht.

Deshalb kämpfe ich ja dafür, daß das wesentlich mehr Frauen auch mal könnten. Wenn man eine rein individuelle Auskunft gibt, à la "ich habe das Glück, daß ich es jetzt heute so machen konnte", wird sofort ein Rollenmodell für alle Frauen daraus konstruiert. Diese tiefe Sehnsucht in Deutschland nach dem einzig selig machenden Leitbild, die ist irre.

Welt Online: Warum ist das so?

Kristina Schröder: Vielleicht weil der Mythos der Mutter in diesem Land so sehr mit Aufopferung und Pflicht aufgeladen ist. Einerseits hat man als Mutter oft den Eindruck, man ist nur dann eine gute Mutter, wenn man es sich so schwer wie möglich macht, am besten noch die Windeln waschen und den Brei selbst kochen.

Andererseits wird immer mehr das Bild von der modernen Supermutter gepusht. Die soll die verschiedenen Anforderungen nicht nur vereinbaren, die soll sie addieren. Perfekte Mutter, super Karriere, speckfreier After- Baby- Body, für den Mann die inspirierte Gesprächspartnerin und die tolle Geliebte. Das erschlägt Frauen.

Welt Online: Eigentlich machen Sie etwas theoretisch Linkes. Sie dekonstruieren Normen und Mythen, aber gerade die Linke haßt Sie besonders.

Kristina Schröder: Auch da gibt es Leute, die kritisch, aber konstruktiv diskutieren. Angegriffen werde ich von den Ideologen.

Welt Online: Sind Sie eine mißverstandene Liberale?

Kristina Schröder: Kommt darauf an, was man unter liberal versteht. Richtig ist: Nirgendwo hat Freiheit und Selbstbestimmung einen so guten Platz wie in der Familienpolitik. Die Frauen, Männer und Familien sollen und können selbst entscheiden, was sie wollen.

Ich habe ein politisches Buch geschrieben, auch weil es eine Abgrenzung vornehmen will, bis wohin geht das Recht aufs Private, wo fängt die Pflicht der Politik an. Es geht um die zutiefst politische Frage nach den Grenzen der Politik.

Welt Online: Haben Sie das Buch als Ministerin oder Privatperson geschrieben?

Kristina Schröder: Das kann man im Kopf nicht trennen. Das Buch hat eine klare Ich-Perspektive.

Welt Online: Die Opposition wirft Ihnen vor, eine Mitarbeiterin Ihres Ministeriums als Co-Autorin mißbraucht zu haben. Ist das so?

Kristina Schröder: Nein, natürlich nicht. Meine Co-Autorin Caroline Waldeck war auch ziemlich entsetzt, daß Frau Künast ernsthaft so tut, als müßte man einer erwachsenen Frau verbieten, in ihrem Urlaub an einem Buch mitzuschreiben. So weit kommt es noch.

Welt Online: Gab es im Kabinett Unterstützung?

Kristina Schröder: Am Mittwoch wurde ich im Kabinett oft gefragt, wie heftig es denn wirklich zuging am Prenzlauer Berg. Aber eher mit Heiterkeit (lacht). Das haben sich noch nicht so viele zugemutet.

Welt Online: Sie sind früh mit streitbaren Positionen aufgefallen, zum Islamismus, zum heterosexuellen Sex, zu Alice Schwarzer. Woher kommt die Neigung zum Polarisieren?

Kristina Schröder: Ich bin ein eher analytischer Mensch und denke aber leidenschaftlich über Gesellschaftspolitik nach. Gerne akzeptiere ich auch andere Werturteile. Von mir werden Sie nicht erleben, daß ich andere beleidige, nur weil wir konträre Werturteile fällen. Es geht um das Wertefundament, die Struktur unserer Meinungen und Haltungen.

Das Interesse an solchen weltanschaulichen Fragen hat mich auch als junge Frau in die Politik gebracht. Als Frauenministerin ist es richtig, sich mit dem Feminismus auseinanderzusetzen. Wird man als Frau geboren, wird man dazu gemacht? Welche Rolle spielen Stereotype von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Gesellschaft, in der Politik? Das muß man für sich klären.

Fast nichts ist wertfrei zu begründen. Deshalb müssen Politiker noch deutlicher machen, für was sie stehen: für welche Werte und warum. Darüber hinwegzuhudeln ist nicht mein Ding.

Welt Online: Die Union tut das gerne. Sie wirkt häufig profillos.

Kristina Schröder: Welcher Partei wird denn überhaupt zugestanden, sie hätte noch ein klares Profil? Aber richtig ist, es schadet auch meiner Partei nicht, über Gesellschaftspolitik und weltanschauliche Fragen deutlicher und heftiger zu diskutieren. Und zwar jenseits von reinen Schlagwörtern wie konservativ, liberal, rechts, links, oben und unten.

Welt Online: Wer muß den Prozeß anschieben in der Union? Der Generalsekretär, der Fraktionschef?

Kristina Schröder: Da sind alle in der Pflicht. Deswegen habe ich auch einen Beitrag geleistet.

Welt Online: Damit stehen Sie aber allein?

Kristina Schröder: Das hat auch mit dem Zuschnitt eines Ministeramtes zu tun. Wenn man den Euro rettet, spricht man vor allem über die Zweck-Mittel-Relation verschiedener Strategien. In der Gesellschaftspolitik kann man originär politischer handeln und argumentieren. Das finde ich zum Beispiel auch in der Integrationsdebatte sehr spannend.

Welt Online: Leidet die Union in den Großstädten auch deshalb, weil sie in ihrer Profillosigkeit falsche Modernität vorgaukelt?

Kristina Schröder: Man nimmt uns oft nicht authentisch ab, daß wir gewisse Lebensempfindungen nachvollziehen und uns in gewisse Milieus reinfühlen können. Wenn so jemand wie Ole von Beust antritt, dann klappt das. Dem hat in Hamburg jeder abgenommen, daß er für ein urbanes Lebensgefühl steht.

Welt Online: Also mehr lebensweltliche Themen für die Union?

Kristina Schröder: Nein, von lebensweltlicher Nähe alleine kann sich niemand was kaufen. Es geht um praktische Umsetzung: etwa um den Kita-Ausbau, um die Frage, wie Frauen und Männer leichter aus Teilzeit wieder auf Vollzeit aufstocken können, um die Frage, wie wir verhindern, daß Minijobs vor allem für Frauen zur Falle werden. Da müssen wir liefern.

Welt Online: Sind Sie zufrieden mit dem Stand der Gleichberechtigung in Deutschland?

Kristina Schröder: Nein, überhaupt nicht. Der Kita-Platz ist existenziell für die Wahlfreiheit von jungen Frauen. Sie müssen, wenn sie einen wollen, einen bekommen. Und zwar einen qualitativ hochwertigen Platz. Da hat Deutschland jahrelang hinterhergehinkt. Und das holen wir jetzt in einem riesigen Kraftakt auf. Wir werden ab 2013 einen Rechtsanspruch haben. Und das einzulösen ist eine Herkules-Aufgabe. Wir haben noch knapp über ein Jahr. Dieses Jahr muß zum Jahr der Krippenplätze werden.

Das zweite riesige Thema sind alle Fragen rund um Arbeitszeiten. Wir müssen die Elternzeit flexibler machen, damit man die drei zur Verfügung stehenden Jahre in den ersten 14 Jahren des Kindes – also bis über den Wechsel zur weiterführenden Schule hinaus – frei legen kann.

Wir brauchen ein stärkeres Mitspracherecht der Arbeitnehmerin bei der Frage der Bestimmung der Arbeitszeit in der Elternzeit. Also daß nicht jungen Müttern gesagt wird, du arbeitest jeden Abend von 16 bis 20 Uhr, und man ihnen damit einen Wiedereinstieg kaputt macht. Wir werden eine Großelternzeit einführen. Und wir brauchen neue Möglichkeiten, zwischen Vollzeit und Teilzeit alltagstauglich zu wechseln. 

Welt Online: Bereuen Sie, das Buch geschrieben zu haben?

Kristina Schröder: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr dankbar, daß ich das konnte. Oft genug haben Politiker nur 30-Sekunden-Statements, um ihre Vorstellungen zu vermitteln. Oder 140 Zeichen.

Welt Online: Ihre Vorgängerin im Amt agiert populärer als Sie. Setzen Sie sich mit Ihrem Stil deutlich von ihr ab?

Kristina Schröder: Jeder Politiker muß seinen authentischen Stil finden. Ich würde meine Werte nicht aus Popularitätsgründen relativieren.

Welt Online: Sie haben Ihr politisches Schicksal auch an das Abwehren der Frauenquote geknüpft.

Kristina Schröder: Mein Vorschlag einer flexiblen Quote ist eine intelligente Quote. Wir verpflichten die Unternehmen, sich selbst eine Quote zu geben. Die müßen sie dann aber öffentlich machen und einhalten bei empfindlichen Sanktionen. Da sagen mir Kritiker, wenn die Unternehmen sich selbst eine Quote geben können, dann geben die sich alle eine Quote von fünf Prozent. Ich sage, das können die Unternehmen sich im Jahr 2012 gar nicht mehr leisten. Wer so argumentiert, unterschätzt den Druck, den Transparenz erzeugt.

Im Zeitalter des Internets gibt es dann kein Entkommen. Und er unterschätzt eines: Bei meiner Flexi- Quote sind die Unternehmen zu einer Debatte im Betrieb gezwungen. Bei einer starren Quote ändert sich an der Unternehmenskultur gar nichts. Die Dax-30-Unternehmen, mit denen ich schon jetzt solche Regelungen gefunden habe, wollen bis zu 35 Prozent auf allen Führungsebenen mit Frauen besetzen. Ein schöner Erfolg, weil er nicht nur ein paar Dutzend Aufsichtsräte in den Blick nimmt, sondern die gläserne Decke von unten durchbricht. 

Welt Online: Hat man Sie bisher unterschätzt?

Kristina Schröder: Keine Ahnung. Das müssen Sie andere fragen.

Welt Online: Aber Sie werden noch immer, auch von Berliner Insidern, gerne belächelt.

Kristina Schröder: Welche junge blonde Frau wird das nicht? Und: Familienpolitik lädt eben zur persönlichen Polemik ein.

Welt Online: Sie haben einen elf Jahre älteren Bruder, der Sie – wie man lesen konnte – nicht eben geschont hat. Kann Sie deswegen in der Politik kaum etwas erschrecken?

Kristina Schröder: Mein großer Bruder hat mir beigebracht, daß man einstecken können muß, aber auch lernt, sich zu wehren. Und dagegenzuhalten. (lacht)

Welt Online: Sie bleiben auch nach solch einer Woche gut gelaunt. Haben Sie eine spezielle Atemtechnik oder Yogatricks?

Kristina Schröder: Nein, viel banaler. Ich hab ein tolles privates Umfeld und ein tolles Ministerium. Ich hab meinen Mann, meine Tochter. Die wirklich fundamental wichtigen Dinge im Leben, da hab ich das Glück, daß die bei mir stimmen.

Welt Online: Verändern Sie die harten Auseinandersetzungen? Werden Sie so zwangsläufig reifer?

Kristina Schröder: Das halte ich für Quatsch. Es ist einfach Kern des Politischen, auch streitbare Positionen zu artikulieren und zu vertreten. Dafür sind wir doch in der Politik.

Welt Online: Daß eine Frau Kanzlerin ist, was für ein Schritt war das für Deutschland in Sachen Gleichberechtigung?

Kristina Schröder: Das ist schon ein großer Schritt. Deswegen wird meine Tochter selbstverständlich so aufwachsen, daß auch sie sieht: In diesem Land können Frauen alles – auch Kanzlerin.

 

Kristina Schröder hat sich in allem, was sie sagt und schreibt, ohnehin diplomatisch verhalten. Sie ist klug, sie weiß, daß es ihren Ruin bedeuten würde und wohl sogar ihre Familie Schaden erlitte, wollte Sie auch nur einen Teil dessen klar aussprechen, was notwendig wäre. Aber es wird eine Zeit kommen – auch wenn viele sich das heute nicht vorstellen können -, da wird das Richtige laut und deutlich gesagt – und auch dementsprechend getan werden.

       
               
               
     

       
               
               
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