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Sonnenwind gibt Antworten zum Klimawandel

       
     
       
     

Sonnenwind gibt Antworten zum Klimawandel
DIE WELT, 23. März 2013

Im Cern bei Genf läuft neben dem Teilchenbeschleuniger noch eine andere Zaubermaschine. Ihr Ziel: die kosmische Strahlung zu simulieren, die ständig aus dem äußeren Weltraum die Erde bombardiert. Der Versuch könnte das Image von Kohlendioxid als Klimakiller ändern. Von Ulli Kulke

Kurz bevor die Sonne abgedimmt hinterm Horizont verschwindet, können wir ihn manchmal bestaunen, einen der mysteriösen Sonnenflecken. Himmelskörper zwischen Erde und Sonne sah man früher darin, dunkle Schlünde oder schwimmende Schlacken auf der Oberfläche.

Wundersam hörte es sich dann an, was vor 200 Jahren der aus Hannover stammende Astronom und Komponist Wilhelm Herschel herausfand: Immer dann, wenn es besonders wenige Sonnenflecken gab, sei in den vorigen fünfeinhalb Jahrzehnten der Weizenpreis angestiegen. Bei vielen Sonnenflecken dagegen? sei er wieder gefallen. Herschel vermutete, dass Sonnenflecken fruchtbare Strahlen aussenden. Blieben sie aus, bremse dies wohl das Wachstum beim Weizen und mache ihn teuer.

Bis vor wenigen Jahren noch galt die Parallele von Sonnenflecken und Weizenpreisen als Zufall, der vermutete Zusammenhang als purer Unfug. Noch heute dient er in Wirtschaftsseminaren über die Preisentwicklung als Paradebeispiel für zufällige, statistische Korrelationen ohne Aussagekraft.

Das könnte sich bald ändern. Und noch einiges mehr. Allerjüngste Forschungen deuten an, dass die Anzahl der Flecken ein Maß ist für Sonnenaktivitäten, die wiederum einen äußerst wirkmächtigen Einfluss ausüben auf unser Klima und die globale Temperatur. Die Diskussion um die Erderwärmung, die Rolle des Kohlendioxids und den Klimaschutz könnte um eine bedeutende Facette reicher werden.

Erst Ende Oktober warnten die drei Direktoren der großen deutschen Geoforschungsinstitute, dass das erwünschte Ziel, den globalen Temperaturanstieg bei zwei Grad zu begrenzen, "aus geowissenschaftlicher Sicht nicht haltbar" sei. Und zwar nicht, weil der CO2-Anstieg ungebremst weiterläuft, sondern weil "deutlich wird, dass wir grundsätzliche Zusammenhänge nicht verstehen", wie Reinhard Hüttl, Chef des Geoforschungszentrums Potsdam, anmahnt; zum Beispiel "Veränderungen im Erdmagnetfeld, die einen Einfluss auf die Magnetosphäre und damit auf die Atmosphäre haben." Was hierbei womöglich stark unterbewertet ist: die Kraft des Sonnenwindes, ablesbar am Wandel der Sonnenflecken.

Seit Herschel hat sich nicht nur der statistische Zusammenhang von Sonnenflecken und Klima erhärtet. Auch die Theorie über den dahinter stehenden Mechanismus wurde in den letzten Jahren stabiler: er funktioniert offensichtlich über das Auf und Ab der Wolkenbildung. Soeben laufen in der Schweiz physikalische Versuche an, die diese Hypothese auch empirisch absichern könnten. Wie es aussieht, erwächst zur Jahreswende, da die Welt auf den anstehenden Gipfel in Kopenhagen schaut, eine dritte Fraktion im Diskurs um die Erderwärmung: zwischen jenen Klimaforschern einerseits, die im Weltklimarat IPCC den Ton angeben und am liebsten jeglichen Ausstoß des "Klimakillers" CO2 verbieten würden, und den "Skeptikern" andererseits, die dies für Humbug halten und vor dem Abwürgen der Weltwirtschaft warnen.

Ende der Debatte? Die erklärte Hoffnung mancher Klimaforscher könnte schnell platzen. Was, wenn sich bald schon wissenschaftlich erhärtet, dass für Klimaschwankungen die Sonne stärker verantwortlich ist als Kohlendioxid?

Vor Kurzem kam auf dem Gelände der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in der Nähe von Genf ein größeres Paket an: ein in Plastikfolie eingeschweißter Edelstahltank, vier Meter hoch und drei im Durchmesser; äußerlich eine Mischung aus Jules Vernes "Nautilus" und einer Raumkapsel. Der Behälter ist fast leer, aber versehen mit geradezu galaktischer Hightech: ein "Sternenhimmel" aus 250 Ultraviolett-Lichtern, die über Quartzfasern eingestrahlt werden, ein Gitter für elektrische Felder sowie ein "Pionen-Strahl", der vom "Proton-Synchroton" des Cern ins Innere des Tanks hineingeleitet wird.

Simulation kosmischer Strahlung

Vergangenen Mittwoch warfen die Forscher um den Teilchenphysiker Jasper Kirkby ihre Zaubermaschine an. Ihr Ziel: die kosmische Strahlung zu simulieren, die ständig aus dem äußeren Weltraum die Erde bombardiert. Permanent und massenhaft strömen elektrisch geladene Partikel heran, die dazu beitragen können, dass sich kleine Schwebteilchen, "Aerosole", bilden, die wiederum – und das ist die dahinter stehende Vermutung – zur Bildung von Wolken in der unteren Atmosphäre beitragen. Dringen viele Partikel für längere Zeit in unsere Atmosphäre, könnte dies bisweilen über Jahrzehnte eine verstärkte Wolkenbildung bewirken. Lässt aber die kosmische Strahlung nach, ist der Himmel klar. Mit Folgen: Wolken in den unteren Schichten kühlen die Erde ab, ein klarer Himmel dagegen erwärmt sie.

Dieses Wechselspiel hängt in immer größerer Deutlichkeit mit der Stärke und dem Ausmaß der Sonnenflecken zusammen. Mit ihrem Aufkommen verbunden ist nämlich eine Verstärkung des Sonnenwindes, ebenfalls ein Strom geladener Teilchen: Atome, Elektronen, Ionen.? Ein starker Sonnenwind kann Satelliten ausfallen lassen, den Funkverkehr, Radaranlagen. Er schenkt uns andererseits die wunderschönen Polarlichter – sowie nach den neuerlichen Forschungen auch schönes Wetter, und zwar nachhaltig: Der Sonnenwind, so zeichnet sich ab, hält bedeutende Teile der kosmische Strahlung aus der Erdatmosphäre fern, verhindert so, dass sich aus ihr heraus verstärkt Wolken bilden, heizt so unseren Globus auf. Ablesbar zum Beispiel an der Erwärmung der letzten drei Jahrzehnte im 20. Jahrhundert.

Die Zusammenhänge zwischen der kosmischen Strahlung und der Wolkenbildung hätten sich allesamt nicht bestätigt, meint dazu Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), einer der deutschen Autoren des letzten Berichts des Weltklimarates. Dies schrieb Rahmstorf zwar schon im Jahr 2004, doch das Statement genießt auf seiner heutigen Homepage offenbar noch Gültigkeit. Ob das IPCC aber dauerhaft die Augen zukneifen kann vor der Sonne? Das Büro des Weltklimarates wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.

Nasa warnt nicht mehr

Rahmstorf, der – was die Wissenschaftler angeht – immer einsamer behauptet, die globale Temperaturkurve zeige auch im laufenden Jahrzehnt noch nach oben, und dem deshalb Max-Planck-Klimaforscher Jochem Marotzke im jüngsten "Spiegel" vorhält, ihn habe es "argumentativ aus der Kurve getragen", erntet nun auch von der Nasa Widerspruch. Dabei kamen aus der US-Raumfahrtagentur stets die lautesten Warnungen vor dem menschengemachten Hitzetod der Erde. David Rind vom Goddard-Institut der Nasa aber erkannte kürzlich in einer Studie nicht nur die derzeitige Pause in der Erderwärmung an. Er erklärte auch, diese verlaufe "analog zur verringerten Solaraktivität zwischen 2002 und 2008".

Auch Sami Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, sagt über die schon jahrelang ausbleibende Sonnenaktivität, es sei die längste fleckenlose Zeit seit 100 Jahren. "Wir waren verwöhnt", meinte er im Interview, "gut 60 Jahre lang war die Sonnenaktivität ungewöhnlich hoch – höher als jemals zuvor in 8000 Jahren. Jetzt pendelt sie sich vermutlich wieder auf normales Niveau ein."

Erst Rekordaktivität, jetzt Stille – damit liefert Solanki angesichts der genau das widerspiegelnden globalen Temperaturkurven den Klimaskeptikern Munition; jenen, die sagen, die Sonne lenke das Klima und nicht das CO 2 . Das will Solanki nicht: Auf seiner Homepage meint er, betonen zu müssen, er gehöre nicht zu diesen "Leugnern".

Wer will schon zu den Skeptikern gezählt werden, die nicht selten stigmatisiert werden, weil sie die Hauptverantwortung des CO 2 und deshalb auch den Umbau der globalen Energieversorgung infrage stellen, wo sich doch alle so einig sind? Und dies auch noch vor dem Gipfel von Kopenhagen, wo – so sagen die Klimaschützer – es um die Zukunft der Menschheit, unserer Kinder geht? Auch Professor Joachim Curtius nicht, 40-jähriger Atmosphärenforscher an der Goethe-Universität Frankfurt/Main und Vater von drei Kindern. Er ist Teilnehmer an Kirkbys Cloud-Projekt beim Cern.

Im Gespräch über die Korrelationen zwischen Sonne und Klima legt Curtius Wert darauf, dass er die Temperaturentwicklung der letzten Zeit auch durch den wachsenden CO 2 -Gehalt in der Luft begründet sieht. Er will dem IPCC auch nicht vorwerfen, dass in dessen Berichten ihre Sonnenforschung bislang keine Rolle spielt – obwohl er schon hofft, dass ihr Ansatz künftig berücksichtigt wird, wenn die möglichen Zusammenhänge noch klarer auf dem Tisch liegen. Das Ergebnis von Cloud sieht er offen: "Es kann herauskommen, dass Veränderungen der Sonne durch ihren Einfluss auf die kosmische Strahlung das Klima der Erde signifikant beeinflussen – oder auch nicht."

Kirkby indes hat in einer umfangreichen Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Surveys in Geophysics" deutliche Ergebnisse aufgezeigt: Am Beispiel der Alpen seit 2000 Jahren würden die parallelen Sprünge von Temperaturen und Sonnenaktivität den Schluss nahelegen, diese als hauptsächlichen ("major") Einflussfaktor auf das Klima anzusehen: Die mittelalterliche Warmzeit, die Kleine Eiszeit im 17. Jahrhundert und ihr Ende, die etwas schwächere Abkühlung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der anschließende Beginn der Erderwärmung mit einem kleinen Knick zur Mitte des 20. Jahrhunderts, der heutige Stopp der Erwärmung – all dies verläuft in den vielfältigen Grafiken Kirkbys nur allzu deutlich im Rhythmus der Sonnenaktivität. Dies nicht nur in der nördlichen Hemisphäre, sondern ebenso abgelesen an der Entwicklung etwa der Anden-Gletscher.

Auch für weitere Parallelen hat Kirkby umfangreiche Daten

zusammengetragen: Außer den Temperaturen folgt den Ausschlägen der Sonne auch der Rhythmus von Dürren und Regenjahren. Wärme? Kälte? Regen? Trockenheit? Monsun? Die Antwort weiß der Sonnenwind. Noch gibt es keine harten Ergebnisse aus dem Supertank von Genf. Doch im Sommer konnte Kirkby in einem Colloquium schon mal berichten, dass physikalische Pilotversuche "deutliche Hinweise" ergeben hätten dafür, dass kosmische Strahlung unter atmosphärischen Bedingungen winzige "Nuklei" entstehen lassen, quasi Zellkerne eines Wolkenlebens. Bestätigt sich dies, wären die Solarsystemforscher den Klimawissenschaftlern einen wichtigen Schritt voraus: Sie hätten ihren Wirkmechanismus physikalisch nachgebildet, was dem Effekt beim CO 2 noch fehlt. Er ist bislang nur in Computersimulationen abgebildet.

Missbrauch in der Klimadebatte

Die Cern-Versuche sind nicht der erste Ansatz, um die Einwirkungen von Sonnenaktivität, kosmischer Strahlung auf das irdische Klima im Labor nachzuvollziehen. Seit 13 Jahren geht der dänische Atmosphärenforscher Henrik Svensmark dem Zusammenhang nach. Im Kopenhagener National Space-Institute konnte er im Rahmen seines Sky-Projekts nachweisen, dass Elektronen in der Atmosphäre die Bildung von Aerosolen anregen, die wiederum zur Wolkenbildung führen. Seine Forschungen waren Anlass, dass Kirkby schon in den 90er-Jahren ein großes Team bildete, mit dem er im Jahr 2000 den Versuchsaufbau starten wollte, an der Leitung des Cern aber abblitzte

Das Projekt stieß auf Vorbehalte, die durchaus widersprüchlich gewesen seien, wie Svensmark in seinem Buch "Sterne steuern unser Klima" berichtet: Die einen hielten die Hinweise auf den Sonnen-Klima-Mechanismus für zu vage, um damit größere Investitionen zu rechtfertigen. Externe Gutachter wiederum befürchteten, die Ergebnisse könnten in der Klimadebatte missbräuchlich eingesetzt werden. Aufgeschoben wurde das Ganze letztlich wohl, weil das Cern alle Kapazitäten auf seinen neuen Large Hadron Colider (LHC) konzentrierte, der 2008 an den Start ging.

Der LHC ist installiert, ebenso inzwischen der Aufbau für Kirkbys Versuche. Gewiss auch, weil die Korrelationen von solarer Aktivität und Klima inzwischen unübersehbar sind. Für Diskussionsstoff ist gesorgt. Die langfristigen Parallelen werden dabei zunehmend akzeptiert – auch bei denen, die außer CO 2 nur wenig Einflussgrößen auf das Klima sehen wollen. Etwas unklarer sind kurzfristige Parallelitäten: Beispielsweise beim Knick etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

Oder bei der derzeitigen Ruhe in der Sonne, die sich noch nicht hundertprozentig in den Temperaturen niederschlug. Hier stehen die Sonnenforscher noch vor Herausforderungen. Umso mehr aber die Verfechter der Kohlenstoff-Hypothese: Der ungebrochene Anstieg in den CO 2 -Emissionen wird – im Sinne ihrer Theorie – nicht gerade eins zu eins abgebildet im nunmehr zehnjährigen Stopp der Erderwärmung.

© Axel Springer AG 2013

       
               
               
     

       
               
               
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